DRESDEN-DRESDEN-ALTSTADT / Ev. Frauenkirche / Kanzel

Ev. Frauenkirche (An der Frauenkirche). Der 1945 stark zerstörte lutherische Zentralbau gehört zu den singulären Leistungen der Baukunst in Europa. Die Frauenkirche ist „der an schöpferischen Gedanken reichste unter allen Versuchen, eine dem protestantischen Gottesdienst gemäße Grundriß- und Raumdisposition zu gewinnen“ (Dehio 1905). Der Außenbau stellt sich vor allem durch den glockenförmigen Ablauf des Umrisses seiner Steinkuppel gleichsam als plastisches Gebilde dar, unterscheidet sich also von den in Europa üblichen Tambourkuppeln.
Baugeschichte: Die auf einem hochwasserfreien Hügel errichtete erste Steinkirche St. Marien war eine Basilika wohl des 12. Jh., damit die älteste Pfarrkirche Dresdens, aber im Mittelalter nicht in die ummauerte Rechtsstadt einbezogen. Im 15. Jh. durch eine spätgotische Hallenkirche mit Langchor ersetzt; diese seit dem 16. Jh. mit dem südwestlich gelegenen Neumarkt in die Festung Dresden einbezogen. Nach dem Aufschwung dieses Stadtteils bis ins 18. Jh., die baufällige alte Frauenkirche nunmehr zu klein. Neubaupläne seit 1715 im Gespräch, 1722 von Ratszimmermeister George Bähr ein Entwurf vorgelegt, bis 1726 auf Veranlassung des Stadtgouverneurs August Christoph Graf von Wackerbarth und unter Mitwirkung Johann Christoph Knöffels „verbessert“. Baubeginn 1726, Mitwirkung von Johann Gottfried Fehre und Daniel Ebhardt am Bau, bauplastische Detaills nach Modellen von Johann Christian Feige d. Ä.. Einweihung nach Fertigstellung der Außenmauern und der Innenkuppel 1734, Bau der Steinkuppel 1736. Nach Diskussionen um die Standfestigkeit der Kuppel Verzicht auf die Ausführung der von Bähr geplanten hohen Laterne; die 1743 vollendete schlichte Laterne nach Plan von Johann Gottfried Fehre. Erneuerungen am Steinwerk der Kuppel und Ausbesserung statischer Schäden seit dem 19. Jh., 1924–30 Erneuerung der Außenarchitektur, 1930–32 Behebung von Schäden an den Hauptpfeilern. Nochmalige gründliche konstruktive Sicherung 1938–43 nach Plänen von Georg Rüth, gleichzeitig Innenraumrestaurierung im Sinne einer Rekonstruktion des originalen Raumbildes. Durch den Bombenangriff am 13. 2. 1945 vollständig ausgebrannt, die Kuppel mit dem Bau zwei Tage später eingestürzt. 1948–51 Wiederaufbaupläne, das Schicksal der Ruine später ungewiß, seit etwa 1980 als Mahnmal gegen Krieg und für Frieden erhalten. Seit 1989 Wiederaufbau durch eine Bürgerinitiative propagiert, 1990/91 Beschluß von Synode der Landeskirche und Stadt zum Wiederaufbau, 1993/94 „archäologische“ Enttrümmerung und Beginn des Wiederaufbaus, 2004/05 vollendet.
Grund- und Aufriß bestimmt durch Verschränkung eines kreisförmigen Binnenraums mit vier Kreuzarmen, die am fast quadratischen Außenbau nur wenig in Erscheinung traten. Diagonal gestellt die vier Treppenhäuser, die innen einen Betstübchenring und vier Emporen erschließen. Die von Pilastern gegliederte, in Sandstein errichtete Außenarchitektur von schlichter Großartigkeit. Zu der im Grundriß kreisrunden, im Aufriß gestreckten Kuppel vermitteln konkave steinerne Dachflächen, z. T. hinter den ornamental ausklingenden Treppentürmen verborgen. Dadurch der einzigartige Eindruck einer Glocke erzielt, die in einer offenen Laterne mit Haube ausklingt. Original erhalten der halbrund geschlossene Chorraum und die Außenwand des nordwestlichen Treppenturms bis zum Hauptgesims sowie Teile der Umfassungsmauern der Erdgeschoßzone, der kreuzförmige Hauptraum der Katakomben ohne Gewölbe, der gewölbte Raum unter dem Altarchor, zwei der diagonal zum Hauptkreuz gelegenen Grabgewölbe sowie der ringförmige Umgang. Geborgen wurden ca. 8000 wiederverwendbare, großenteils profilierte Werksteine von der Außenarchitektur und 80 000 Sandstein-Grundstücke von der Hintermauerung.
Der Binnenraum in ungleichen Abständen von acht Pfeilern umstellt, die über Arkaden die Innenkuppel tragen. Sie sollten nach Bährs Vorstellung die Last der doppelschaligen Hauptkuppel aufnehmen und durch wandpfeilerartige Mauerzungen „pyramidal“ auf die Außenmauern und Ecktreppenhäuser verteilen. Der zentrale Gemeinderaum umgeben von einem Betstübchenring und den Brüstungen der vier Emporen darüber, die die Raumform modellieren und den Blick auf den bühnenartig erhöhten Altarraum konzentrieren. Die urspr. Kanzel amboartig in der Hauptachse vor dem Altarraum geplant, später aus akustischen Gründen nur als Lesepult genutzt. Die eigentliche, in reichen ornamentalen Formen gestaltete Kanzel von Johann Christian Feige d. Ä. seit 1739 am nordöstlichen Pfeiler. Die Innenkuppel wurde 1734/35 mit Gemälden von Evangelisten und vier Tugenden durch Giovanni Battista Grone ausgeschmückt, eine kreisrunde Öffnung ließ den Blick in die obere Kuppel frei, hier der Ort für „himmlische“ Gesänge. Den Altarraum flankieren die geschweiften Prospekte von Beichtstühlen und die Brüstung zweier Singechöre. Der Altarprospekt nach dem Entwurf von George Bähr von Johann Christian Feige1734–39: prachtvoller Säulenaufbau über einem Untergeschoß mit Altarumgang; über dem Altar Relief mit den drei geistlichen Tugenden. Auf dem Zwischenge-
sims zwei Sitzfiguren, links Moses, rechts Aaron, und zwei Standfiguren, links Paulus, rechts Philippus. In der Nische zwischen den kannelierten Komposit-Säulen plastisch gestaltete Ölbergszene mit der das Kreuz verehrenden Engelglorie im Stile römischer Vorbilder. Über dem geschweiften Giebel der ornamental reich bewegte Prospekt der 1736 vollendeten Orgel von Gottfried Silbermann. Von der Ausstattung der architektonische Aufbau des Altarprospektes sowie Teile des figürlichen und ornamentalen Schmuckes weiterhin 2000 Einzelteile erhalten. Von den Beichtstühlen, der Kanzel und dem Lesepult nur wenige Reste geborgen. Im Gruftgeschoß, heute als Unterkirche benutzt, sind in den diagonalen Nebenräumen teilweise noch alte Bestattungen und Grabmäler der Barockzeit. Ebenfalls im Gruftgeschoß aufgefunden: Ecce homo vom Epitaph Nosseni aus der >> Sophienkirche, seit 1998 in der >> Kreuzkirche, Dresden; das Grabmal George Bährs, 1738 von Johann Christian Feige d. Ä., und zahlreiche Grabsteine des 17. und frühen 18. Jh. vom alten Friedhof der Frauenkirche. In der Unterkirche der zentrale Altar 1996 von Anish Kapoor, die sonstige Ausstattung von Michael Schoenholtz.