FREIE HANSESTADT BREMEN-INNENSTADT / Rathaus / Untere Halle

Rathaus. Die Breitseite des Rathauses beherrscht die Nordkante des zur Weser hin leicht abschüssigen Marktplatzes. Der im Kern gotische, zwischen Renaissance und Barock mit üppigem Architektur- und Bildschmuck überfangene Bau bildet zusammen mit dem rückseitig versetzt angeschlossenen Neuen Rathaus von 1909/13 einen vielgesichti- gen Bezugspunkt im Straßen- und platzräumlichen Altstadtgefüge.
Geschichte. Der heutige Bau besaß einen Vorgänger am Liebfrauenkirchhof auf der Ecke Obernstraße/Sögestraße, der — 1229 als domus theatralis und im weiteren Verlauf des Jahrhunderts als domus consularis und domus consulum erwähnt - als Gerichtsstätte und Versammlungshaus des Rats diente; eine verfaßte Bürgerschaft mit dem Rat als Vertretungsorgan gab es spätestens in den zwanziger Jahren des 13. Jh. Das nach O gerückte neue Rathaus errichtet und ausgestattet 1405-12 als gestreckter Rechteckbau mit 2 ungeteilten Geschossen — der Unteren und der Oberen Halle - über einem Keller gleicher Länge und Breite. Um das Walmdach ein Zinnenkranz, auf den Ecken ausgekragte polygonale Türmchen, davon erhalten jenes auf der NW-Ecke. Dem Erdgeschoß der südl. Marktseite vorgelegt eine spitzbogig über achteckigen Stützen geöffnete Arkadengalerie von 11 Jochen (Gerichtsstätte im 2. Joch von W), darauf ein zinnenbewehrter, später (?) überdachter Gang, auf der Mitte unterbrochen von einer über die Obere Halle zugänglichen offenen Laube unter kielbogenförmigem Dach. Auf der Marktseite wie auf den Schmalseiten im Obergeschoß urspr. hohe Spitzbogenfenster. Noch erhalten die Spitzbogenportale auf den Schmalseiten zur Unteren Halle; die auf der nördl. Rückseite zur Oberen Halle führende überdachte Freitreppe wurde 1532 nach dem Aufruhr der Hundertvier entfernt, das spitzbogige Portal mit reich profiliertem Gewände vermauert (ein freigelegter Ausschnitt in der Wittheitsstube) und statt dessen im Inneren eine Wendeltreppe angelegt. Geschmückt wurde der nüchtern-einfache, schichtenweise in roten und schwarzglasierten Ziegelsteinen aufgeführte Bau mit ursprünglich 20 Sandsteinfiguren zwischen den Hauptgeschoßfenstern und 51 skulptierten Medaillons, die meisten mit Wappenschilden besetzt und im Mauerwerk unterhalb des Zinnenkranzes angebracht.
Wohl noch im 15. Jh. Errichtung einer Laube über dem Eingang zum Ratskeller, von der herab am Sonntag Laetare die Kundige Rolle verlesen wurde. - 1545 rückseitiger Anbau unter Schließung der Lücke zur Marien-Magdalenen-Kapelle im erzbischöflichen Palatium. — 1595 Verbreiterung der südl. Obergeschoßfenster ohne die beiden Eckfenster, deren Erweiterung jeweils im Mauerwerk zum Dachboden führende Treppenspindeln verhinderten; für alle Fenster scheitrechte Stürze. - 1608—14 Umgestaltung der Marktfront und Dachzier mit Lüder von Bentheim; 1616 Fertigstellung des Schnitzwerks der Güldenkammer.- 1635 Ersetzung der Laube über dem Ratskellereingang durch einen Vorbau, der bis 1826 bestand; im Erdgeschoß offen, im Obergeschoß die sog. Sternkammer.— 1862 rekonstruktive Wiederherstellung der seitlichen Spitzbogenfenster auf der Ostseite durch S. Loschen, nach zeitweilig geradem Sturz.- 1877 Entfernung der Dachgauben.— 1909—13 Bau des Neuen Rathauses (s.u.).
Außenbau. Die dekorative Anreicherung der Marktfront bis 1614, der 1608—09 eine Erneuerung und Aufhöhung des schadhaften Dachstuhls durch den Ratszimmermeister Johann Stolling vorangegangen war, beschloß eine gestalterische Akzentverschiebung, die mit Anbauten entlang der Nordfront begonnen hatte: Die bildhafte Prospektwirkung der neuen Prunkfront orientierte das urspr. freistehende, allansichtige Rathaus nunmehr entschieden zum Marktplatz. Die dem gotischen Baukörper applizierten Zutaten einer schon barock eingestimmten Renaissance — unter dem Eindruck der vergleichbaren Umgestaltung des Rathauses in Leiden 1595-97 und mit Lüder von Bentheim als leitendem Steinhauer — waren der bis in die Flucht der Arkaden tretende, die bisherige Laube und 2 Fenster verdrängende Mittelerker, die seinen Giebel flankierenden, hinter der Traufe angeordneten Nebengiebel, das bis auf die Nordecken verlaufende Konsolgesims mit Dachbalustrade, die alternierend dreieckigen und segmentbogigen Fensterverdachungen und an der Arkadengalerie die Ersetzung der spitzen durch runde Bögen auf toskanischen Säulen sowie eine neue Brüstung; damals wird das urspr. mit Dachsteinen gedeckte Dach erstmals eine Kupferdeckung erhalten haben.
Marktfront. Vom gotischen Bau erhalten blieben die Standbilder zwischen den Obergeschoßfenstern, in situ die figürlich vegetabil skulptierten Konsolen und Baldachin-Wimperge und die nach Errichtung des Mittelerkers wohl versetzten Statuen von Kaiser und Kurfürsten zur Behauptung der Kaiserfreiheit, wie die übrigen Figuren von den westfälisch beeinflußten Meistern Johann und Henning geschlagen; heute Kopien von 1959/60, die Originale im Focke-Museum. Das im 19. Jh. freigelegte gotische Sichtmauerwerk ist für 1612 geschlämmt und steinfarbig gefaßt vorzustellen.
Das neue Architekturgerüst fußt auf der nunmehr rundbogigen Arkade, deren mittlere 4 Säulen mit den Wappen der zur Bauzeit amtieren den Bürgermeister auf den Bogenzwickeln den doppelgeschossigen Erker tragen, dessen reich dekorierter Giebel zusammen mit den flankierenden Zwerchhäusern und der Balustrade den Fassadenprunk bis vor das hohe Walmdach erstreckt. So erhielt der gotische Zweckbau heterogene Architekturelemente vorgeblendet, die - besonders sinnfällig am Beispiel der Ablösung der wehrhaften Zinnenkränze durch eine Arkadenbrüstung und Dachbalustrade - ausschließlich repräsentativdarstellende Aufgaben erfüllten. Die Gestaltung der Giebel und unter dem Einfluß der niederländischen Renaissance (Details u. a. nach Vre- deman de Vries) das Architekturgerüst dicht besetzt mit plastischem Schmuck, szenischen Reliefs auf den Arkadenzwickeln, den Brüstungsfeldern und Friesen, den Gesims- und Gebälkfeldern, Säulenfüßen und Ecksteinen. Lebhaft bewegtes Rollwerk entlang der Giebelschrägen, Obelisken auf Dachbalustrade und Staffelecken und Ganzfiguren auf den Giebelspitzen und Balustradenecken; die Kriegerfiguren auf den Außenecken um 1860 ersetzt durch freie Nachbildungen von D. Kropp, Bremen. — Bedeutend die manieristische Überfülle des Dekors mit dem vegetabil angereicherten, weich wulstigen Rollwerk und dem charakteristischen, schon bei Wendel Dietterlin auftauchenden sog. Teigkringel in Form einer gedrückten Schnecke. Ein Höhepunkt der Ornamentgeschichte die kunstvoll aus vegetabilem Bandwerk geformte und mit Masken besetzte Arkadenbrüstung (G. Pauli: „das beste Stück deutscher Barockdekoration aus so früher Zeit“). Bedeutend u.a. die gedrängte Fülle figürlich allegorischer und emblematischer Darstellungen, darunter - nach Stichvorlagen u.a.des Hendrik Golt- zius, Jacob Floris, Adam Fuchs und Hans Sebald Beham - die Darstellungen von Tugenden und Lastern, der Evangelisten, der fünf Sinne, der artes liberales, antiker Gottheiten und Jahreszeiten. So präsentierte die neue Fassadenplastik einen Thesaurus humanistischen Bildguts, kleinteilig additiv ausgebreitet und von mehr dekorativer als ikonolo- gisch systematisierter Wirkung.
Schmalseiten: Die Westseite zur Liebfrauenkirche bewahrt neben den gotischen Spitzbögen der Obergeschoßfenster das gotische Ecktürmchen mit reicher Konsolplastik und Stützfigur. Von den Standbildern, vermutlich Propheten mit urspr. niederdeutschen Inschriften auf den Spruchbändern, wurden die südl. 3 nach den Namen auf den im 16./17.JI1. geänderten Spruchbändern später umgedeutet als - von links nach rechts — Aristoteles, Demosthenes und Cicero; seit 1961 Kopien, die Originale im Focke-Museum. Das Portalgewände mit Blattwerk und Rosetten geschmückt. Daneben das nördl. Fenster von 1551 mit Bürgermeisterwappen, ihm nachgebildet das südl. Fenster von 182.6 mit den Wappen jener Bürgermeister, unter denen die Laube mit der Sternkammer über dem Ratskellereingang abgebrochen wurde. — Auf der Ostseite unter dem Konsolgesims noch sichtbar 3 vermauerte Öffnungen, worin die gotischen Wappenmedaillons eingelassen waren. Unter den Standbildern (die letzten Originale in situ) auf der Südecke Petrus mit dem Schlüssel, die übrigen Propheten. Die
Spitzbögen der seitlichen Obergeschoßfenster wurden 1862 rekonstruiert.
Nordseite: Vom wahrscheinlich 1579 der Nordseite vorgelegten Kanzleianbau stammt das im Schoppensteel an das Neue Rathaus versetzte rundbogige Portal mit Diamantquadergewände unter einem Dreiecksgiebel mit dem Wappen der amtierenden Bürgermeister. 1683 Verlängerung des Anbaus bis in die westl. Flucht; aus dieser Zeit die beiden mit reichem Arkanthusgerank bekrönten Fenster.
Inneres. Die dreischiffige Untere Halle wurde bis A. 19. Jh. als Kaufhalle genutzt. Das konstruktive Gerüst - 2 Reihen Eichenholzständer auf Sandsteinsockeln tragen, unterstützt von Kopfbändern und Sattelhölzern, die Luchtbalken, auf denen die Balkendecke ruht - und die Gliederung der Innenwände blieben bis heute fast unverändert. Den stich- bogigen, tiefen Fensternischen auf der Südseite entsprechen gleichfor- matige Blendnischen an der Nordwand. An der Decke vor den 3 mittleren Fenstern das Tragwerk für das 1608 ff. in die Obere Halle gestellte Gehäuse der Güldenkammer. Die mit einem Gitter gegen die Untere Halle gesicherte Wendeltreppe von 1532 ersetzte die auf der Nordseite abgebrochene Freitreppe. Bis E. 19. Jh. gab es in der Halle 2 abgetrennte Räume: seit 1506 in der Nordwestecke die Niedergerichtsstube, wenig später auf der Südostecke die sog. Kriegskammer. An der Nordwand 7 Portale, einige transloziert und bloße Schaustücke; von W nach O:
Tür zur 1683 angelegten Kanzlei, in situ, mit schlichtem hölzernen Architekturrahmen und einem von Knorpelwerk gesäumten Wappenschild über dem Sturz.
Das Portal zur ehem. Niedergerichtsstube, wohl 1636 von H. Var- wer; mit Fratzen und Masken belebtes Knorpelwerk auf dem hölzernen Architekturrahmen und Kriegern auf dem Gebälk über toskanischen Säulen, die das bekrönende Relief (Kopie um 1960) flankieren; das zopfige Türblatt um 1780.
Portal zum früheren Ausgang auf der Nordseite, beim Bau des Neuen Rathauses etwas nach O versetzt; der wuchtige Architekturrahmen aus Sandstein /. Prange zugeschrieben und inschriftlich 1660 datiert; das tiefe Gewände mit Knorpelwerk belegt.
Portal zur ehem. Kriegskammer, um 1650, G. Schürmann zugeschrieben; mit bewegtem Ohrmuschelwerk an den Seiten des mageren Architekturrahmens und bekrönendem Schlüsselwappen.
5.16 . Beim Bau des Neuen Rathauses von 1911/13 hergestellte Portale zur Festtreppe.
7. Portal zur ehem. Kämmereistube im Erdgeschoß des 1545 auf der Nordostecke errichteten Anbaus, die Pfosten unter dem spätgotisch nachklingenden Konsolsturz mit aufgelegtem Renaissancedekor.
Die Obere Halle diente ungeteilt und stützenlos als Sitzungs- und Festsaal des Rats sowie als Gerichtsstätte. Über dem 1811 entfernten
Ratsstuhl (4 Wangen im Focke-Museum) an der Nordwand das Wandgemälde des Urteils Salomonis als Gerechtigkeitsbild, inschriftlich dat. 1532 und vielleicht aus dem Umkreis des B. Bruyn; auf den Randleisten preisen Sprüche biblischer und römischer Autoren Richter- und Regententugenden. Es folgt das Wandgemälde mit der Darstellung Karls des Großen und Bischof Willehads, der beiden Gründer des Bistums Bremen, mit der Domkirche im Jahre 1532; unter dem Bild gereimte Lebensbeschreibungen Karls und Willehads. Anschließend die inschriftlich 1532 dat. chronikalische Darstellung der Teilnahme Bremer Bürger an den Kreuzzügen. Urspr. über der Wendeltreppe ein dekorierter, von 8 Pfosten gestützter Aufbau; die hölzerne Kriegerfigur auf der Spindel um 1530/40.- Die Deckenbemalung mit linearer Fel- derung, Ranken- und Beschlagwerkbändern und den Bildnissen deutscher Kaiser und Könige von Karl bis Sigismund, um 1610 (oder schon 1. H. 16. Jh.?); 1857—59 die Ornamentmalerei mit erheblichen Veränderungen erneuernd übermalt, sämtliche Rundbilder neu.
Ein Höhepunkt norddeutscher Schnitzkunst ist auf der Südseite das zweigeschossige Gehäuse der Güldenkammer, die gleichsam das innenräumliche Pendant des Mittelerkers darstellt; der 1688 erstmals auftauchende Name Güldenkammer nach der 1618 für das untere Gemach gekauften vergoldeten Ledertapete. Fertiggestellt 1629/30, als die im oberen Gemach untergebrachte Bibliothek möbliert wurde; das obere Portal inschriftlich 1616. In Ermangelung einer gesicherten Urheberschaft wird die Güldenkammer dem Ratszimmermeister Reineke Stolling, dessen Gehilfen Ronnich und den vom Rat beschäftigten Schnitzern E. Lange und S. Hoppenstede zugeschrieben. Deutlich lassen sich Hände und Stilstufen unterscheiden, vom Renaissancedekor der Wendeltreppe nach Stichvorlagen u. a. des Jacob de Gheyn und Vredemann de Vries bis zum üppig barocken Ohrmuschel- und Knorpelwerk in der Art des Wendel Dietterlin oder Gottfried Müller. Paßungenauigkeiten deuten auf eine wechselvolle Baugeschichte. Die Güldenkammer ist mit allegorischen Darstellungen dicht belegt: das Treppengeländer unter dem Herkules auf der Treppenspille mit Planetengöttern, den Tugenden, Fünf Sinnen etc.: über dem unteren Portal (das Türblatt von 1905), unter der bekrönenden Justitia und flankiert von Kriegern, ein Alabasterrelief mit der Darstellung des Marcus Curtius; seitlich anschließend die beiden Zyklen von Gerechtigkeitsbildern mit Appellen an Richter- und Regententugenden. Die originale Dunkelfassung des Holzwerks 1967ff. abgelaugt, erhalten noch am oberen Portal auf der Innenseite. In der unteren Güldenkammer ein nach Entwürfen von H. Vogeler 1905 eingerichtetes Sitzungszimmer, kunsthandwerklich meisterhafte Raumschöpfung eines historisierenden Jugendstils; die geprägte Ledertapete 1964 erneuert.
Die 5 Portale auf der Nordseite von W nach O:
1./2. Doppelportal des 19. Jh. zu Sitzungsräumen im nördl. Anbau.
3. Reiches Portal in Alabaster von A. Liquier, Geschenk des Herzogs Julius von Braunschweig 1577/78. Im Relief über dem Gebälk allegori- sehe Darstellung des Sieges zwischen dem Gesetz und der Gerechtigkeit.
Portal zur ehem. Rhederkammer in Holz, Steinfarben gefaßt und gesäumt von flächigem Ohrmuschel- und Knorpelwerk, um 1660; E. Behrens zugeschrieben.
Ehem. Durchgang zur alten Wittheitsstube im nördl. Anbau, hölzerner Portalrahmen E. 19. Jh., über dem Sturz eingelassen eine Steintafel mit 12 Regeln für ein weises und gerechtes Stadtregiment, dat. 1491 mit den 4 Wappen der amtierenden Bürgermeister.
Portal zur ehern, neuen Wittheitsstube im Anbau von 1545, mit zeittypischem Renaissancedekor und über dem Schlüsselwappen dat. 1550.
Das 1895—98 nach Entwürfen von Joh. G. Poppe einstmals pompöse, mit prachtvollen Aufbauten virtuos geschnitzte Ratsgestühl seit 1955 nur noch fragmentarisch und abgelaugt erhalten. - In den Fenstern Wappenscheiben des 18./19. Jh.; von den Kronen jene mit dem Schlüsselwappen auf dem Adler aus dem Schütting, die übrigen von 1869.
Sog. Fredekoggen (Geleitschiffe) an der Decke sind von alters her überliefert; die heutigen von W nach O:
„De Grote Jung“, am Heckenspiegel dat. 1779, Geschenk von J. G. Poppe.
Am Heckenspiegel dat. 1770, aus dem Rathaus.
Das sog.„Älteste“, E. 16. Jh., aus dem Schütting.
„Johann Schwarting“, am Heckspiegel dat. 1650, aus dem Schütting.
An der Westwand Standuhr des Ratsuhrmachers Maybach von 1737, an der Nordwand das Bild des sog. Oster’schen Hauses in Antwerpen, des 1563—68 erbauten Hansekontors.
Ratskeller. Der Ratskeller, eine dem gotischen Kernbau einbeschriebene drei- schiffige und 11 Joche lange Halle mit Kappengewölben über kreuzförmigen Pfeilern, mit Nebenräumen auf der Nordseite und dem westl. angeschlossenen langgestreckten Bacchuskeller. In der Nachfolge städtischer Weinhäuser vom Rat, der schon im 14. Jh. das Monopol für den Verkauf von Rheinwein besaß, stets als städtischer Weinkeller geführt.
Im Hauptkeller vor der Nordwand Stückfässer mit ornamentierten Schauböden des 17./18.JI1., entlang der Südwand dort schon im 18. Jh. bezeugte und historistisch erneuerte Gemächer (früher Logementer genannt). Im 19. Jh. abgeteilt die westl. 3X3 Joche des sog. Hauffkellers, in dessen bis dahin abgetrenntem nördl. Drittel — der sog. Rose, Schauplatz von Wilhelm Hauffs „Phantasien im Bremer Ratskeller“ (1827) — die kostbaren Firneweine lagerten. Hauffs Bildnis-Medaillon von D. Kropp, Bremen; die al fresco gemalten Illustrationen zu Hauff 1927 von M. Slevogt. Der Nordwand auf ganzer Län ge angeschlossen und später dem Ratskeller einbezogen die Kellerräume ehem. Anbauten; neben dem mittigen Portal im O der sog. Apostelkeller mit 12 nach den Aposteln benannten Stückfässern; daran anschließend der 1874 hier eingerichtete sog. Rosekeller, in dessen 4 Stückfässern die ältesten Jahrgänge lagern; in der Mauernische neben dem Rosefaß das 1904 erneuerte Gemälde der Jungfer Rose von A. Fit- ger. Nach W anschließend das Senatszimmer und das Kaiserzimmer, beide Räume 1874/75 mit reichem Getäfel und Wandmalereien von Fitger historistisch dekoriert, dazu im Kaiserzimmer ein Fayenceofen des 18. Jh. und die Bronzegruppe der Bremer Stadtmusikanten, 1899 von H. Möller, Berlin.
Der vor der westl. Schmalseite gelegene sog. Bacchuskeller entstand 1620-21 als Kellergeschoß der Alten Börse von 1686-95, die nach einem Brand 1888 abgebrochen wurde; der mit seiner Decke urspr. über Straßenniveau gelegene Keller wurde abgesenkt und den alten Zustand nachbildend mit Scheingewölben versehen. 1927 bei der Schaffung von Gasträumen im bisherigen Faßkeller am Westende Abtrennung von Zunftstube und Schatzkammer sowie umfassende dekorative Ausstattung nach Entwürfen von R. Jacobs; die Ausmalung des Hauptraumes vom Slevogt-Schüler K. Dannemann, der Zunftstube von A. Fr icke und der Schatzkammer von G. A. Schreiber; Bildhauerarbeiten und Schnitzereien von H. Lange und E. Tölken. Das Bacchusfaß, Wahrzeichen des Ratskellers, wurde in die Umgestaltung einbezogen; der thronende Bacchus eine Kopie um 1830, der Faßboden erneuert um 1890.
Das Neue Rathaus. 19o3-13 von G. v. Seidl, München. Nachfolgebau des zuvor an derselben Stelle hinter dem Alten Rathaus gelegenen sog. Stadthauses, eines schlichten und nur sparsam klassizistisch dekorierten Gerichts- und Behördenhauses mit 3 Flügeln von 1816-19, das seinerseits als Um- und Ausbau des um 1290 errichteten ehern, erzbischöflichen Palatiums mit einer Marien-Magdalenen-Kapelle entstanden war. Dem Alten Rathaus rücksichtsvoll angeschlossener Neubau zu Regierungs- und Repräsentationszwecken; v. Seidl konzipierte den Bau in Anlehnung an das alte Stadthaus als gleichfalls dreigeschossige, um einen kleinen Hofplatz geschlossene Vierflügelanlage.
Außenbau. Flächige, nur sparsam plastisch akzentuierte Fronten in Oldenburger Handstrichklinkern mit Werksteinschmuck in Muschelkalk; die differenzierte Anordnung der Fenstergruppen und Fensterbänder entspricht der funktionalen Raumdisposition im Inneren. Verhalten historisierend und dem Alten Rathaus angepaßt die Verbindung von Ziegel- und Naturstein, die Kupferdächer, die Asymmetrien und der unregelmäßige Verlauf der Fluchten, die dichte Befensterung und das frei behandelte Renaissanceornament.- Auf der Marktseite ein Vorbau mit Nebeneingang und Treppe zum Ratskeller, hinter dem fünfbahnigen Doppelgeschoßfenster Wandelhallen und im Obergeschoß des Erkers das sog. Hansazimmer des Bürgermeisters; die Bauplastik - u.a. die Allegorien der Tageszeiten auf den Fensterpfosten - nach Modellen von J. Seidler, München. - Auf der Domseite die Breitfront mit dem seitlichen Haupteingang, auf dem Dachreiter die Fortuna von G. Roemer, München. — Auf der Seite zum Domshof ein dominanter, den Mittelgiebel des Alten Rathauses paraphrasierender Erker zur Auszeichnung des Senatssaales im i. und des Gerichtssaales im 2. Obergeschoß, den Giebel flankieren aus Kupfer getriebene Figuren von Ratsherren nach Modellen von G. Roemer, auf der Giebelspitze ein Tellurium. — Die mehrfach verspringende Front zur Fiebfrauenkirche malerisch bewegter mit der Ablösung des Traufgesimses durch eine Folge von 5 Giebeln, unterbrochen durch eingestellten Rundturm mit Zwiebelhaube, hinter den hohen Obergeschoßfenstern der Festsaal; neben dem Turm das von der Kanzlei hinter dem Alten Rathaus hierher versetzte Portal von 1579.
Das Innere wird erschlossen über weiträumige Wandelhallen im Eingangsflügel mit einer hofseitig angefügten Treppe und einer 2. Festtreppe hinter dem Alten Rathaus zur Verbindung dessen Unterer Halle mit dem neuen Festsaal im 1. Obergeschoß; dort auch die übrigen Repräsentationsräume. Die künstlerisch wie kunsthandwerklich bedeutende Ausstattung nach Entwürfen v. Seidls unter Heranziehung zumeist Münchener Künstler; vornehm und gediegen mit zeitgenössisch modern anverwandeltem Formengut aus Renaissance, Barock und Empire; dazu alte Stücke aus dem Stadthaus und Schenkungen. Beispielhaft seien genannt: im Erdgeschoß am Fuße der Festtreppe ein spätgotisches Relief mit dem Wappen des Erzbischofs Rhode (+1511) und eine Marmortafel mit dem Bildnis des Erzbischofs Giselbert von G. Roemer, zur Erinnerung an das erzbischöfliche Palatium; auf dem Treppenpfosten die geschnitzte Figur der Abundantia von A. Glaser. — Im 1. Obergeschoß über der Festtreppe ein Feuchter aus Walkiefern, von F. v. Miller (die originale Montierung mit der messingnen Stadtkrone 1951 modernistisch ersetzt). Der Kamin ist ein Rest der zuvor hier gelegenen und 1896 von M. Salzmann neu eingerichteten Obergerichtsstube. - In der Wandelhalle neben der Tür zum Hansazimmer das Bildnis Gabriel von Seidls von L. Samberger. Das Bronzebildwerk einer weiblichen Allegorie der Schiffahrt von F. Behn. Die Marmorstatue des Bürgermeisters Johann Smidt, 1848 von C. Steinhäuser, aus der Oberen Halle hierher versetzt. - Im Senatssaal Kaiserbilder des 17. und 18.Jh., die älteren von F. Wulfhagen; Teppich, Standuhr und Barometer nach Entwürfen von R. A. Schröder. - Im Gobelinzimmer 2 Gobelins 1.H. 17. Jh., aus einem Artemis-Zyklus, Paris. - Im Festsaal mit Damengalerie und Musikempore an der Stirnwand Gemälde der Weserfront Bremens von C. Vinnen; das kostbar dekorierte Turmzimmer nach Entwürfen von F. Naager, mit Marmorinkrustationen auf den gefelderten Wänden; über dem Steintisch Bronzerelief Kaiser Wilhelms II. von A. von Hildebrand; die Fünetten ausgemalt mit weiblichen Tugenden.

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