HANSESTADT LÜBECK / Ev. Jakobikirche / Lasset die Kindlein zu mir kommen

Ev. Jakobikirche, beherrschend über dem Koberg, an dessen Südseite sie hinter den Predigerhäusern von 1601 emporragt. Geräumige, dreischiffige Stufenhallenkirche aus Backstein, fünfjochig, mit polygonalem Dreiapsidenschluss, quadratischem Westturm zwischen Turmseitenkapellen, Dachreiter und seitlichen Anbauten. – Erste Erwähnung 1227. Die Baugeschichte ist für die Anfänge noch ungeklärt, eine Rekonstruktion als dreischiffige Basilika hypothetisch. Kern der unter Planwechseln entstandenen heutigen Anlage sind Teile einer wohl im mittleren 13. Jh. unabhängig von der St.-Marien-Halle errichteten Hallenkirche, die auf braunschweigische und westfälische Vorbilder schließen lässt. Erhalten die vier westl. Langhausjoche mit den Außenmauern. Die Joche im Mittelschiff unterquadratisch, in den verschieden breiten Seitenschiffen mehr oder weniger längsgestreckt. Die quadratischen Freipfeiler mit Eckrundstäben vor abgeschrägten Kanten und laubwerkgeschmückten Kämpferbändern (in einem von ihnen Fabelwesen und Menschenköpfe). In den Seitenschiffen breite, rechteckige Wandvorlagen für schwere Gewölbegurte bzw. frühgotische Dienste aus Viertel- und Halbrundstäben in den beiden westl. Jochen des nördl. Seitenschiffs. – In der Nordwestecke Gewänderest eines frühgotischen Seitenportals. – Von den Fenstern, die groß und spitzbogig waren, eins vollständig als Innenblende im mittleren Joch auf der Nordseite (hinter der Seitenorgel) erhalten, außen nur im oberen Teil sichtbar, hier der Spitzbogen in einen gleichzeitigen altertümlichen Rundbogenfries einschneidend. Auf der Südseite sind die oberen Bogenabschnitte aller vier Fenster unter den Dächern der Seitenkapellen zu sehen, in Spitzbogenfriese einschneidend. Die unterschiedlichen Detailformen deuten auf eine längere, uneinheitliche Bauentwicklung. E. des 13. Jh. begann man, angeregt durch den hochgotischen St.-Marien-Chor, die Halle zur Basilika umzugestalten: die Mittelschiffswände wurden bis zum Anfang großer, vierbahniger, in der unteren Zone blinder Obergadenfenster (über den Gewölben sichtbar) erhöht, die breiten Mittelschiffsgurte abgearbeitet und in Form rechteckiger Wandvorlagen (wie etwas später im Langhaus der Katharinenkirche) weitergeführt. Man begnügte sich jedoch schließlich mit einer Stufenhalle und verlängerte diese um ein im Mittelschiff queroblonges, in den Seitenschiffen annähernd quadratisches Joch mit polygonalem Dreiapsidenschluss, einer schematisierten Weiterentwicklung des originellen Chorschlusses von St. Petri: das mittlere 5/8-Polygon verschmilzt seitlich mit zwei kleinen 4/6-Polygonen. Außen am Chorhaupt dicht gestellte, gestufte Stützpfeiler, im Winkel zwischen dem mittleren und dem südl. Polygon eine Wendeltreppe. Hohe, zwei- und dreibahnige Spitzbogenfenster. Abschließend einheitliche Einwölbung über hoch sitzenden Laubwerkkonsolen auf den Wandvorlagen. Die Chorweihe 1334 bedeutet wohl auch das Ende der Bauarbeiten. – Hölzerne Schlusssteinscheiben 15. Jh.
Die Westturmanlage enthält den Unterbau eines zur ersten Halle gehörigen quadratischen Einturmes. Im Zuge der Umgestaltung zur Basilika wurde eine Doppelturmanlage beg., jedoch als die Türme die Höhe der Seitenschiffe erreicht hatten, aufgegeben, der alte Mittelturm erhöht und seitlich durch Strebebögen über pfeilerartig ausgebildeten östl. Eckversteifungen der nun als Kapellen mit Pultdächern abgedeckten Turmstümpfe gestützt. Die drei kreuzrippengewölbten Turmkapellen sind mit hohen Spitzbogen zu den Hallenschiffen hin geöffnet. Die beiden frei aufragenden Turmgeschosse zeigen eine reiche Horizontalgliederung durch Kalksteingesimse und einen Vierpassblendenfries nach dem Vorbild der Türme von St. Marien. Das Turmobergeschoss in schmalen holländischen Ziegeln 1636 erneuert; der schöne kupfergedeckte Helm, der sich über einer geschweiften, von vier Kugeln umstellten Einziehung als schlanke, achtseitige Pyramide erhebt, 1657 von K. Walter (zwei Alternativ-Modelle im St.-Annen-Museum). Über dem Ostteil eines alle drei Schiffe zusammenfassenden, Seitenkapellen und Stützpfeilerköpfe einbeziehenden kupfergedeckten Satteldaches (am Turm Spur eines älteren, tiefergelegenen) nachgotischer Dachreiter von 1622/23 in Form einer achtseitigen, einmal gestuften, luftigen Laterne aus Holz mit fialengeschmückten Eckpfeilern und hohem, bleigedecktem Spitzhelm.
Kapellenanbauten des 14. Jh. (etwa ab 1335): An der Südseite bis auf die älteste, niedrigere Brömbse-Kapelle schiffshoch, die Tiefe zwichen den Stützpfeilern ausnutzend, mit gepaarten, dreibahnigen Spitzbogenfenstern. An der Nordseite die beiden westl. Kapellen (Einsegnungs- und Hl.-Leichnams-Kapelle) aus je einem etwa quadratischen Joch vorspringend, mit eigenen pfannengedeckten Satteldächern und blendengezierten Giebeln. Die Fronten durch zwei Gruppenfenster, aus zwei dreibahnigen, hohen Spitzbogenöffnungen mit gemeinsamem Scheitelokulus, betont. Heute als Winterkirche durch eine Glaswand abgeteilt. Östl. anschließend eine halbhohe Eingangshalle mit Wendeltreppe im westl. Teil. Portale im 19. Jh. erneuert.
Schiffshohe, zweigeschossige Sakristei im Südosten, spätestens A. 15. Jh., mit unregelmäßigem, dreiseitigem Ostschluss, Stützpfeilern und pfannengedecktem Satteldach. Die Räume drei- und (oben) zweijochig überwölbt. – An der Nordseite der Kirche Kalksteinrelief, Christus vor Pilatus, 1493, erste Station des ehem. Kreuzweges zum Jerusalemsberg.
Ausmalung 1964/65 nach Befund aus dem 2. V. 14. Jh. wiederhergestellt, weiß mit rot und grün betonten Pfeilerkanten, Gewölberippen, Kapitelbändern und Konsolen. An den Pfeilerflächen Kalkmalereien um 1330/40 (1889 entdeckt, 1931 sichtbar gemacht, nicht ergänzt, jüngste Restaurierung 1996 abgeschlossen). Kolossale Heiligengestalten unter Maßwerkbogen, teilweise Darstellungen ihrer Martyrien in Bogenfeldern zu Füßen, großflächig und in schwungvollen Linien, unter westlichem Einfluss; neben den Malereien an der Nordwand des Heilig-Geist-Hospitals die qualitätvollsten Beispiele gotischer Wandmalerei in Lübeck. Dargestellt von Osten nach Westen im Norden: Johannes d. T., Petrus, ein Apostel, hl. Laurentius; im Süden: Johannes Ev., Christophorus, hl. Philippus. An der Nordwand Reste eines Jüngsten Gerichts der gleichen Zeit. – In der Hogehus- oder Haleholtscho-Kapelle (Nordseite) aus der Zeit bald nach 1350 an der Westwand in Rankenarkaden überlebensgroß Christophorus und Jakobus d. Ä. mit knienden Stiftern dazwischen, an der Ostwand hl. Katharina und zwei weibliche Heilige mit kniender Stifterin und Tiergroteske. Um den Schlussstein des Gewölbes Ranken mit Vögeln. – Reste einer Renaissanceausmalung in der mittleren Turmkapelle an der Ostwand unterhalb der Empore, an der Südseite deutlicher erkennbar Ritter vor einer Architektur. – Wappenscheiben von 1583 (eine) und 1767 (drei).
Hochaltar 1717 von H. J. Hassenberg, Lübeck, Stiftung des nachmaligen Bürgermeisters Hermann Rodde als Grabmal-Altar. Hoher Architekturaufbau unter dem Einfluss des ehem. Hochaltars der Marienkirche von Th. Quellinus (1696/97), Holz, schwarzmarmorn bemalt, weiß marmorierte Säulen, etwa lebensgroße Vollfiguren aus weißem Marmor und Gips. Die palladianische Konchenarchitektur des Vorbildes wurde dekorativ und hierzulande vertrauten Formen gemäß abgewandelt (vgl. auch die Varianten in Lübeck-Travemünde, -Genin, -Schlutup und Wesselburen): auf hohem, zweizonigem Sockel eine kolossale, aufgelockerte Freisäulenarchitektur mit Mittelnische, die sich jedoch nicht als Konche schließt, sondern in einem hohen Auszug mit seitlichen Voluten und gebrochenem Giebel endet. In der Nische über einem sarkophagartigen Sockel mit dem Abendmahlsrelief mehrfigurige pyramidale Gruppe der Grablegung, urspr. konzipiert als Trauergruppe mit Pietà, jedoch vermutlich schon während der Ausführung geändert. Zwischen den flankierenden Freisäulen vor schräg gestellten Schmalfeldern zwei weibliche Freifiguren mit Fackeln, außen Stifterbüste und -wappen. Im Auszug Freifiguren des triumphierenden Christus, assistiert von Putten und Engeln, die Leidenswerkzeuge halten und ihn bekrönen. Vor dem Hauptgebälk schwebender Engel mit Schriftband und Putten. Zugehörige Altarbrüstung mit Akanthusdocken. – Brömbse-Altar um 1500. Mittelteil, Sandstein, wohl von E. v. Roden, Münster/Westfalen (ähnlich die Chorschrankenreliefs in St. Marien). Im bühnenartigen Schrein mit überhöhter Mitte, von Maßwerk auf komplizierte Weise in zwei gestaffelten Schichten gerahmt, vorne breit mit Nebenhandlungen erzählte Kreuzigung, im Hintergrund Kreuztragung und Auferstehung, figurenreich, doch klar gruppiert. Die feinfühlige Gestaltung, insbesondere der Köpfe, zeichnet sich durch einen niederländisch geprägten lyrischen Realismus aus. In der Predella Nischenfiguren der hll. Antonius, Christophorus, Georg und Sebastian. Die hölzernen Flügel bemalt. Die kleinen oberen, dem Liesborner Meister zugeschrieben, zeigen die Erscheinung des auferstandenen Christus vor Maria und Maria-Magdalena, außen en grisaille die Verkündigung, die großen unteren, wohl erst um 1515 entstandenen, innen die Stifterfamilie des Bürgermeisters Heinrich Brömbse mit ihren Hll. Bartholomäus, Georg, Anna Selbdritt und Barbara, vor schönen Landschaftshintergründen, außen en grisaille Jakobus d. Ä. und hl. Nikolaus, qualitätvolle Malerei unter niederländischem Einfluss. – Gemäldetriptychon, A. 16. Jh. im Stil der niederländischen Frührenaissance. In der Mitteltafel figurenreiche Kreuzigung vor weitem Landschaftshintergrund. In den Flügeln das kniende Stifterpaar mit seinen Schutzheiligen Thomas und Jakobus in hohen, auf tiefe Landschaften geöffneten Bogenhallen. Außen en grisaille die hll. Christophorus und Sebastian als Gewappnete in Rundbogenarchitekturen. – Bronzetaufe 1466, von C. Grude gegossen. Kesselfünte ähnlich der Taufe im Dom, die drei knienden Trageengel nach denselben Modellen gegossen. Die etwas derben, realistischen Apostelfiguren unter Kielbogenmaßwerk vielleicht nach Modellen des Meisters vom Swarte-Altar in St. Marien. Der reich geschnitzte Taufdeckel 1630 von H. Sextra II. Über einer durch Rippen gegliederten Kuppel große achtseitige Säulenlaterne, bekrönt von Putten mit Tugendsymbolen und einer Gruppe der Taufe Christi. Im Inneren der Laterne Jakob mit dem Engel kämpfend. Gleichzeitig der Unterbau mit gotisierendem Gitterwerk. – Holzkanzel 1697/98 von J. J. Budde. Korb des Emporentyps in breiter und schwerer, sparsam dekorierter Form, auf Hermenvoluten. Der achtseitige Schalldeckel dagegen reich mit Akanthusvoluten und großer Freifigur des auferstandenen Christus, Kanzeltür von zwei Säulen gerahmt und bekrönt durch den Salvator.
Gestühle: Zweisitz ( Vorstehergestühl, urspr. Erbstand der Familie Lüneburg), M. 15. Jh., elegant beschnitzt. Kehlbaldachin mit durchbrochener Maßwerkstirn, seitlich Familienwappen. Seiten- und Zwischenwangen mit Maß- oder Faltwerkschnitzereien und vorgelegten Säulchen, auf den Lehnen zwei liegende Löwen und ein Drache. – Brauer- und Ratsdienerstuhl 1520 (unter der Westempore), einander ähnlich, dem verbrannten Bergenfahrerstuhl in der Marienkirche nachgebildet, jedoch derber. Auf den Seitenwangen gelagerte Männerfiguren, darunter Heiligenreliefs in Nischen. Ausdrucksvolle Maskenmisericordien und Kopfknäufe. Reste schlichter, gotischer Gestühle und Sitzreihen. – Spangenbergscher Stuhl (rechts neben dem Altar) 1576. Reiches Renaissancewerk niederländischer Prägung mit tonnengewölbtem Baldachin, der vorne von zwei zierlichen korinthischen Säulen auf der Brüstung, rückseitig von kleinteiliger, durch Halbsäulen gegliederter, z. T. schrankenartig durchbrochener Wand getragen wird. Auf dem an der Stirnseite als Zwillingsbogen gestalteten Baldachin Kopfkartuschenaufsätze und Schnitzfiguren (der Sünder zwischen Moses und Johannes d. T.), sowie auf übergreifender Volutenbügelkrone der Auferstandene. – Mehrere Kastengestühle um die Pfeiler gruppiert, von denen drei westl. z. T. mit beschnitzten Vertäfelungen bekleidet sind. Gestühle und Vertäfelungen in der Hauptsache zwischen 1613 und 1634 aus der Werkstatt der Familie Sextra (Kirchentischler von St. Jakobi). Die schlichten, nur durch ornamentale Querfüllungen in den Friesen ausgezeichneten Gestühle sind verändert und mit älteren und jüngeren Teilen zusammengesetzt. Der Schifferstuhl am dritten Südpfeiler zeigt neben schönen Knorpelwerkfüllungen mit figürlichen, meist allegorischen Reliefs Akanthusfüllungen mit Gildewappen und Dreimaster von 1687. Die Vertäfelung des fünften Südpfeilers 1613 von H. Sextra I, die anderen von seinem Sohn, alle in ähnlicher Weise über einer Sockelzone durch Hermenpilaster und intarsierte Bogenfüllungen gegliedert und mit reich beschnitzten Konsolgesimsen abschließend. – Wandvertäfelungen in der Sakristei von 1699, Friese mit Stifterwappen, Felder mit Muscheln bemalt, an einer Seite Giebel mit gemalten und ausgesägten Allegorien; in der mittleren Turmkapelle von 1699, über dem Gesims gemalte biblische Szenen, braun und grau, in reicher Umrandung.
Schranken; Zwei einander ähnliche in der Einsegnungskapelle und der Hogehus- oder Haleholtscho-Kapelle, wohl Teile der ehem. Chorschranken um 1334, mit Diagonalgittern aus Eisen und schön beschnitzten Abschlussgesimsen; in den Friesen vierpassförmige Reliefs, Christus und Apostel bzw. humoristische Szenen. In der Warendorp-Kapelle Schranke des späten 15. Jh. vom gleichen Typ.
Westempore, 1639 (Südteil) und 1649 (Nordteil), von H. Sextra II. Die Brüstung mehrfach flach gebrochen zur Mitte vorspringend, reich durch Hermenpilaster und einen Konsolenfries mit ornamentalen Querfüllungen gegliedert. In den Feldern gemalte Brustbilder von Christus, Evangelisten und Aposteln, Moses, David und vierzehn Propheten. Zugang über die prachtvolle Wendeltreppe des 1844 abgebrochenen Lettners, 1619 von H. Sextra I, ein frühes Beispiel für die Auseinandersetzung mit dem Knorpelornament. Die geschwungene Treppenbrüstung durch Hermenpilaster und schmale, schlüssellochartige Felder gegliedert; reich ornamentierter Sockelfries. Auf der Treppenspindel Freifigur des Apostels Paulus. Zugehöriges korinthisches Säulenportal mit bekrönendem Ädikulaaufsatz, der ein Relief der Auferstehung einschließt, Spes und Fides. In komplizierter Rahmenfüllung der Tür Relief des Kirchenheiligen. Der ehem. Zugang über eine Wendeltreppe in der südl. Turmkapelle mit geschnitztem Antrittpfosten von 1784. – Reste der Seitenempore im südl. Seitenschiff 1634 von H. Sextra II, in neuer Zusammensetzung. Gliederung ähnlich wie die Westempore. Die zugehörige Treppe (jetzt in der Warendorp-Kapelle) in Anlehnung an die Lettnertreppe, jedoch mit durchbrochenen Bogenfeldern und entwickeltem Knorpeldekor.
Große Orgel über der Westempore die Turmwand füllend. Der Aufbau aus Hauptwerk, Empore mit Rückpositiv und zusammenfassenden seitlichen Basstürmen, 1671–73 von dem Kirchentischler J. Ehmcke, schließt einen umfangreichen spätgotischen Kernbestand ein. Der Unterbau der Empore aus drei großen Rippenkonsolen auf grotesken Masken vor einer Maßwerkvertäfelung laut Inschrift zu einer Orgel um 1464–66 gehörig. An der Rückseite des Unterbaus Tragebalken auf ausdrucksvoll geschnitzten Konsolfiguren von 1573 (Inschrift). Der flache, siebenachsige Hauptprospekt des laut Balkeninschrift 1504 von P. Lasur geschaffenen Werks noch spätgotisch, abwechslungsreich gegliedert, mit Rankenschleiern, geschweiften, von Kreuzblumen bekrönten Abschlüssen der mittleren Pfeifenkästen und mit Maßwerkkämmen auf den gerade geschlossenen seitlichen, dazwischen hohe Fialen. Von dem einst in die Tiefe des Turmraumes reichenden spätgotischen Werk blieb die später mit Rokokogerank schablonenmäßig bemalte Verschalung erhalten. Der untere Sprengebalken auf zwei Figurenkonsolen mit Inschrift. Die Basstürme und das gedrängt aus Spitz- und Rundtürmen gestaffelte Rückpositiv von 1673 mit hochbarocken Knorpelwerkschleiern und Aufsätzen in Form von achtseitigen Tempelchen, Kartuschen und Freifiguren von König David und zwei Musikantenengeln. Die barocke Brüstung enthält als Felderfüllungen spätgotisches Maßwerk. Das Werk 1894 erneuert. – Kleine Orgel im mittleren Joch auf der Nordseite im Wesentlichen spätgotisch mit altem Werk. Schlichter, fünfachsiger Hauptprospekt von 1515 mit breitem, durch Astwerkschleier und Kielbogenschluss betontem Mittelfeld und sich seitlich höher stufenden, turmartigen Pfeifenkästen. Die Empore mit schöner Maßwerkbrüstung aus dem späten 15. Jh., von zwei schlanken Rippenkonsolen auf Stützfiguren (Narr und Mönch) getragen. Rückpositiv und Brustwerk 1637 von F. Stellwagen. – Ehem. Lettnerorgel 1673, wohl von J. Richborn (neues Orgelwerk in altem, schrankartigem Orgelgehäuse). – Uhr in architektonischer Rahmung, 1784. In den Zwickeln des Zifferblattes gemalte Evangelistensymbole. Auf dem gebrochenen Giebel allegorische Schnitzfigürchen (Chronos zwischen Vanitasfiguren), D. J. Boy zugeschrieben. – Holzkruzifix aus verlorenem Zusammenhang, 1. V. 15. Jh., Astkreuz, Corpus mit mehreren Fassungen.
Gemälde: Untergang des Schiffers Thomas Köster am 31.Oktober 1508, A. 16. Jh. Bei der Wiederherstellung 1786 Rahmen und strophische Schilderung des Unglücks erneuert. – Denkgemälde für den Schiffsprediger Sweder Hoyer1566, mit lateinischem Nachruf. – Denkgemälde für Pastor Peter Christian Friemersheim, um 1574, Predigt in einer Renaissancekirche, manieristische Komposition und lateinische Inschrift. – „ Lasset die Kindlein zu mir kommen“ 1690, angeblich von J. H. Schwartze, in kolossalem Format. – Christus am Ölberg 1721, angeblich von M. Schlüter. – Christus am Kreuz 1817, Kopie von J. L. W. Förster nach einem Gemälde von 1676 aus der Marienkirche. – Mehrere Pastorenbildnisse des 17. und frühen 18. Jh., die meisten lebensgroß, in ganzer Figur. – Gedenktafel für den 1565 gefallenen Feldherrn Johann Rantzau, Sandstein, Inschrift in schlichtem Pilasterädikularahmen.
Unter den zahlreichen Epitaphien zu nennen: Mehrere geschnitzte Totenschilde mit bekrönenden Wappen, 16./17. Jh. – Heinrich v. Brömbse († 1645), buntbemalter, geschnitzter Stammbaum, ehem. um ein Auferstehungsgemälde in einen Spitzbogenrahmen geschmiegt. Statt des Gemäldes jetzt ein Ovalbildnis des Stifters und weitere Wappen. – Sager († 1660), gemaltes Bildnis (Hüftstück) in gerahmtem Bogenfeld, seitlich mit Säulen; Wappenkartusche, zwei Engel und der Auferstandene als Bekrönung, Unterhang und Knorpelwerkdekor. – Wulff 1671 von J. Wittfoht, vom Typus des vorigen, jedoch in schwungvoller, hochbarocker Ausprägung mit gedrehten Säulen und prächtigem Knorpelwerkdekor. Im Bildfeld das kniende Stifterpaar von J. H. Hartbrunner beiderseits eines geschnitzten Kruzifixes gemalt. – Engenhagen 1685, Ovalbildnis in geschnitztem Rahmen mit zwei Gerippen auf Kugeln, die Sonne und Mond und Kartuschen mit emblematischen Darstellungen halten, sowie zwei Putten in symmetrischer Anordnung vor einer Draperie. – Mehrere Barockepitaphien mit Ovalbildnissen vor pyramidalen oder geschweiften Stelen auf breiten Kenotaphsockeln, mit Putten und allegorischen Figuren: Reiche 1697, Stuhlmann († 1712), Lavrenzen († 1722), Reinesius († 1745). – Andreas Albrecht v. Brömbse († 1757), elegant geschwungener, hoher Rokokoaufbau über geschweifter Konsole, schwarzer und weißer Marmor. In der Mitte die Büste des Verstorbenen, seitlich Chronos und die trauernde Minerva. In die bekrönende Stele meißtelt ein Putto eine Devise. – Unter den z. T. stark abgetretenen Grabplatten hervorzuheben: v. d. Recke († 1559), seltenerweise aus Gusseisen, mit Flachrelief der Verstorbenen unter doppelbogigem Muschelbaldachin, Umschrift, großen Wappenmedaillons in den Ecken. Darüber zugehörige gusseiserne Gedenktafel mit Kruzifix zwischen Wappen. – Mangels († 1582), Steinplatte mit Relief eines Geharnischten. – Zwei Lichterbäume des Amtes der Maurer und Dachdecker, 2. H. 15. Jh., beide in gleichen Formen, geschnitzt und gefasst. Auf hohen Tragestangen sechsseitige Tabernakel mit Eckfialen und Kielbögen, darin Doppelfiguren, Madonna im Strahlenkranz und hl. Reinoldus (?). Die bekrönenden Kandelaber in Kreuzblumenform von zwei Engeln gehalten. – Drei Messingkronleuchter: ein zierlicher Renaissanceleuchter des 16. Jh. mit schildhaltendem Löwen und einer Doppelmadonna darüber als Bekrönung, zwei prächtige Barockkronen von 1645 und 1676. – Zahlreiche Messingwandleuchter des 16. und 17. Jh. Besonders reich ein doppelarmiger aus Knorpelwerkvoluten mit den Wappen Lüneburg/Wibbeking, wohl aus den 1630er Jahren, und ein weiterer von 1641 aus Akanthusvoluten mit bekrönender Statuette des Guten Hirten. – Altarleuchterpaar, Silber teilvergoldet, 1690 von H. Schmidt I. Auf rundem, gebuckeltem Fuß mit getriebenem Blütenwerkdekor ein bewegter Engel, eine Palme und Kelch oder Hostienteller haltend, auf dem Kopf die Lichtschale. – Unter den Glocken zu nennen die Pulsglocke 1507 von G. v. Wou, Bronze, mit Zierfriesen, Inschriften, kleinem Relief, Christus mit Weltkugel und Kirchenmarke.

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