HANSESTADT LÜBECK / Katharinenkirche / Epitaph / v. Seelen

Katharinenkirche (Museumskirche), Königstraße. Die dreischiffige, gewölbte Backsteinbasilika ohne Turm hebt sich durch ihre eigenwillige Raumgestalt und edle Formgebung unter den Bettelordenskirchen der Hochgotik hervor. Sie wurde etwa in der Zeit gegen 1300 bis in die 1350er Jahre auf Grund einer einheitlichen Planung, doch, wohl mit Rücksicht auf zunächst weiterbenutzte Teile des Vorgängerbaus, in zwei getrennten Abschnitten unter mehrfachen Änderungen errichtet. Der erste, um 1330 fertiggestellt (Dachstuhl zwischen 1304 und 1308 [d]), umfasst die Ostteile einschließlich der Querarme, der zweite, laut Bauinschrift an der Westfassade 1335 beg., die fünf westl. Langhausjoche.
Innen- und Außenbau werden beherrscht von dem zügig durchlaufenden Mittelschiff aus neun queroblongen Jochen, dessen polygonaler 5/8-Schluss zwischen halb so breiten Seitenschiffen vorspringt. Die Seitenschiffsschlüsse sind zu eigenständigen Kapellenräumen in Form nach Norden und Süden gerichteter 4/8-Polygone entwickelt, von denen zumindest die Strobukes-Kapelle im Süden als private Grabkapelle gestiftet wurde. – Die Ausbildung eines Querschiffes, im allgemeinen in Bettelordenskirchen vermieden, geht hier vermutlich auf Anregung durch die etwa gleichzeitige Zisterzienserkirche in Doberan zurück (zwischen 1294 und 1298 beg.): im dritten und vierten Joch erheben sich über dem Grundriss von je zwei Seitenschiffsjochen Querarme bis zur Höhe des Mittelschiffs, dessen Fluss sie jedoch nicht unterbrechen. Auch die Südervorhalle der Marienkirche könnte eingewirkt haben.
Der Langchor der Mönche beansprucht das Hauptpolygon und die ersten drei Mittelschiffsjoche. Diese sind mit den Seitenschiffen und deren Schlusskapellen sowie mit den Ostjochen der Querarme durch Arkaden verbunden. Um den chorus zu isolieren, erhob man ihn ungewöhnlicherweise über einen dreischiffigen, gewölbten Unterchor. Die anschließenden südl. Räume der Kirche wurden in entsprechender Höhe zweigeschossig ausgebildet und stellten die Verbindung zum Obergeschoss der Klosterräume her.
Das Langhaus konnte sich in den Seitenschiffen nur nach Süden voll entfalten. Das nördl. Seitenschiff springt mit Rücksicht auf die Führung der Glockengießerstraße hinter den Querarmen zurück und wird nach Westen zunehmend schmaler. Die Stützpfeiler, hier nach innen gezogen, bilden tiefe Fensternischen, während sie im Süden außen liegend Raum für die seit um 1350 bis um die M. 15. Jh. errichteten, fast seitenschiffshohen Kapellen boten.
Die Gestalt des Mittelschiffs zeigt in seiner Hochräumigkeit und zweigeschossigen Wandgliederung der Ostpartien den Einfluss von St. Marien. Die Freipfeiler sind jedoch achteckig. Sie haben anfänglich runde Achsendienste, die in Mittel- und Seitenschiffen die gleichbemessenen Diagonal- und Gurtrippen tragen. Im Chorteil, in dem das Untergeschoss durch den Mönchschor verstellt ist, gehen die Pfeiler unmittelbar in Arkadenbogen und -wände über und treten wieder in den Blendarkaden des Obergeschosses halbiert als Wandpfeiler hervor. Die Schildbogen sind reich profiliert. Im dritten und vierten Joch wird die Zweigeschossigkeit von der Fensteranordnung der Querarme aufgenommen; im Langhaus ist sie geschwächt; über den Pfeilerkämpfern steigen vor der etwas zurückgesetzten Hochwand lisenenartige Vorlagen auf, die die großen Spitzbogenblenden des Obergadens einfassen. Das System wurde bereits im ersten Bauabschnitt mit dem östl. Langhauspfeilerpaar vorbereitet und dann vereinfacht. Die Dienste entfallen vom zweiten Joch an. Die Gewölbe werden stattdessen von Konsolen vor den Lisenen getragen. Die Kämpfer, am ersten Pfeilerpaar reich skulptiert mit Laubwerk und Köpfen, erhielten eine karge Form.
In den Seitenschiffen stützen sich die Gewölbe entsprechend dem Mittelschiff an den im Übrigen glatten Außenwänden auf Runddienste bzw. auf Konsolen. – Die Fenster sind meist dreibahnig, an den Querschiffsfronten vierbahnig und zeigen im Ostteil an hervorgehobenen Stellen Kunststeinmaßwerk (ähnlich wie in der Briefkapelle von St. Marien), das jedoch weitgehend erneuert zu sein scheint. Große Lichtfülle dringt durch zwei hohe, dreibahnige Westfenster des Mittelschiffs.
Der gleichzeitig mit dem Ostteil entstandene, jedoch wie ein Einbau aufgefasste Mönchschor ist im unteren Teil eine dreischiffige Halle von sieben Jochen mit, abgesehen vom Polygon, quadratischen Kreuzrippengewölben, die an den Seiten von den Runddiensten der Hauptpfeiler bzw. von scheibenartigen Zwischenpfeilern getragen werden, in der Mitte von zwei Reihen altertümlicher Kalksteinsäulen mit karg dekorierten Kelchkapitellen und attischen Basen, wohl aus Gotland importierten Werkstücken. Eine gleichartige Säule trägt in der Strobuk-Kapelle, dem unteren Raum im südl. Seitenschiffschluss, nach dem 2. Weltkrieg als griechisch-orthodoxe Kapelle abgetrennt, ein Radialgewölbe von gleicher Art wie die Gewölbe in der Briefkapelle der Marienkirche. Die Schlusssteine der Gewölbe aus Stuck haben z. T. figürliche Reliefs (im Stil der älteren Burgklosterkonsolen) mit Evangelistensymbolen, dem Pelikan und Szenen aus der Fuchsfabel. Der Hochchor ist hauptsächlich über eine zweiläufige Treppenanlage zugänglich, die z. T. im Ostjoch des südl. Querarmes liegt. Sie wurde nachträglich (vor 1458) recht roh eingebaut. Zwei urspr. Wendeltreppen liegen in den Mauern zwischen Polygon und Seitenschiffsschlüssen. Der Fußboden des Chores ist mit glasierten Ziegelplatten in abwechslungsreichen Mustern ausgelegt (15. und 19. Jh., die Anordnung wohl verändert). Der obere Teil der südöstl. Arkade wurde 1759/60 zugemauert, als man den Sakristeiraum zum Tagungsort des Konsistorialgerichts umbaute, 1829 wurde die westl. Trennwand mit Tür eingefügt, da das gesamte obere südl. Chorseitenschiff mit der Ostkapelle zur Bibliothek kam.
Der Außenbau tritt nur im Westen und Norden voll in Erscheinung. Eindrucksvoll die Ostteile mit steil aufragendem Chorhaupt, das ein den Dachansatz verbergender Zinnenkranz abschließt. Das Polygon wird durch Verstärkung der Mauer betont und straff durch gestufte Stützpfeiler mit Pultdächern gegliedert. Seitenschiffe und Abschlusskapellen sind als selbstständige Baukörper unter nach Westen abgewalmten Satteldächern zusammengefasst. An jeder Seite ein Strebepfeiler. Das Norderportal im 19. Jh. überformt. – An den Längsseiten setzt das Querhaus mit blendengezierten Zwillingsgiebeln, die parallelen Satteldächen entsprechen, und gegliederten, tiefen Fensterlaibungen einen Akzent. Die äußeren Ecken verstärkt; vor der Ostecke des Nordarms ein polygonaler Treppenturm.
Das Langhaus wird auf der Nordseite von vier, das Pultdach des Seitenschiffs durchstoßenden Strebepfeilern mit kräftiger Gliederung durch Wasserabschläge belebt. Auf der Südseite dagegen zwei in nüchternen Formen. – An der Westseite ist dem verhältnismäßig schmucklosen Außenbau eine erstaunlich reiche Fassade gegeben, die die Kirche wie zum Ausgleich für den von den Bettelorden abgelehnten Turm unter den Giebelfronten der gotischen Bürgerhäuser und den ehem. südl. anschließenden des Klosters hervorhob. Der unsymmetrische Langhausquerschnitt forderte eine künstlerisch bedeutende Lösung heraus. In einer hohen, die Horizontale betonenden Sockelzone täuschen drei Portalnischen symmetrische Dreischiffigkeit vor. Die dabei notwendige Verschiebung des Mittelportals aus der wahren, im oberen Fassadenteil sichtbaren Mittelschiffsachse wird in der Schrägsicht, unter der die Fassade in dem engen Straßenraum erscheint, kaum bemerkt. Das nördl. Seitenportal konnte nur als Blende angedeutet werden; das südl. in neuerer Zeit vermauert. Zwischen den Portalen spitzbogige Gesimse, unter denen sich urspr. Nischen für Figuren der hl. Katharina und Johannes d. T. befanden. Im Hauptteil der Fassade sind die ungleichen Seiten unauffällig der Wirkung des mächtig aufsteigenden Mittelteils untergeordnet, der mit einem blendengezierten Dreieckgiebel über urspr. nicht bis zum Rand durchgeführtem Spitzbogenfries schließt. Als Hauptträger der Vertikalbewegung steigen die beiden Mittelschiffsfenster vom Sockelgesims als Sohlbank bis unter den Fries auf. Seitlich anschließend schmale, zu zwei dichten Folgen addierte Blenden kleinerer Ordnung, die je zwei übereinanderstehende Spitzbogennischen umschließen. Sie nehmen die Horizontale des Sockels auf und verwandeln sie in vertikale Impulse. Zwischen den Fenstern und der Blendenordnung vermittelnd und Restflächen füllend weitere, z. T. ebenfalls Nischen einschließende Spitzbogenblenden und ehem. drei Kreisblenden (die mittlere erhalten) unterhalb des Abschlussfrieses.
Der Eindruck des Prächtigen wird durch die farbige Wirkung des regelmäßigen Schichtenwechsels von roten und dunkelgrün glasierten Ziegeln und der weiß ausgeputzten Gründe der Nischen, Blenden und des Frieses gesteigert. In der unteren Nischenreihe neun überlebensgroße Terrakottafiguren. Die drei linken 1930–33 von E. Barlach zu einem auf 16 Nischenfiguren für die Fassade geplanten Zyklus Gott suchender und von Gott ergriffener Menschen geschaffen: Frau im Wind, Bettler auf Krücken, singender Klosterschüler, erst 1947 aufgestellt. Die übrigen Figuren 1947/48 selbstständig von G. Marcks ergänzt: Christus als Schmerzensmann, Brandstifter, Jungfrau, Mutter und Kind, Kassandra, Prophet. – Neben dem Mittelportal Kalksteinplatte mit Bauinschrift 1335. – Zwischen den Kreuzpunkten der parallelen Querschiffdächer mit dem durchlaufenden Mittelschiffsdach eine achtseitige Dachreiterlaterne von 1399 mit hohem, kupfergedecktem Spitzhelm.
Ausmalung: Bei der 1974–81 vorgenommenen, jedoch nicht vollständig abgeschlossenen Innenraumrestaurierung Freilegung und Ergänzung des komplett erhaltenen gotischen Ausmalungssystems des 14. Jh. im Mittelschiff. Wandflächen, Pfeiler und Dienste sind von einem Netz aufgemalter roter Quaderung mit Fugen überzogen, im Chor auf grauem, im Quer- und Langhaus auf weißem Untergrund. Fenstergewände und Profile der Scheid- und Schildbögen werden unterschiedlich farbig voneinander abgesetzt. Die Gewölbe zeigen durchgängig eine Rippenfärbung im Wechsel von Rot und Grün, jedoch erscheinen im Chor Begleitstriche an den Diagonal-, Krabbenornamente an den Querrippen und eine netzartige Bemalung um die Schlusssteine, im Langhaus dagegen stilisierte Blattfriese beiderseits der Rippen und Ranken in den Schlusssteinzonen. Die Arkadenbogen über den achteckigen Pfeilern schmücken Brustbilder männlicher und weiblicher Figuren. – Im Oberchor Reste einer Architekturmalerei und Figurenzyklus unter Baldachinen, 15. Jh. – Südl. Seitenschiff mit Gewölbemalerei des 16. Jh.: Grüne Rippen rot abgesetzt und beiderseitig von Blattbemalung begleitet. – Von weiteren, teilweise noch unter der weißen Kalktünche verborgenen Resten gotischer Kalkmalerei an mehreren Stellen der Kirche bemerkenswert: Kreuzgruppe mit Maria, Johannes, hl. Katharina und einem Heiligen (Südseite des Unterchores) um 1340, teilweise übergangen, untere Partien ergänzt. Fragmentarische Kreuzgruppe aus derselben Zeit (am eingezogenen Strebepfeiler des letzten Joches).
Epitaph-Wandgemälde von drei in der Kirche beerdigten Franziskanerbischöfen, Johann von Reval († 1320), Jakob von Ösel († 1337) und Helenbert von Schleswig († 1334), 3. V. 14. Jh. (im Oberchor über der Tür der nördl. Wendeltreppe). Drei lebensgroße Gestalten unter einem Drillingsbogen. Seltenes Beispiel der Art. – Reste von der Ausmalung der Crispin-Kapelle (Schlusskapelle des nördl. Seitenschiffs), letztes V. 14. Jh., mit Tierfries im Gewände des östl. Fensters und stark beschädigten Bildnissen der Stifterfamilie an der Chorbrüstung, drei betend kniende Ehepaare in Lebensgröße vor der thronenden Madonna (um 1440 durch Kopien auf Holztafeln ersetzt, dabei ein weiteres Ehepaar hinzugefügt. Diese wurden 1577 durchgreifend erneuert und befinden sich jetzt im St.-Annen-Museum). – Sieben Szenen aus der Legende der beiden hl. Ewalde (nördl. Querhausarm), 2. V. 15. Jh. – Predigt und Stigmatisation des hl. Franziskus (Treppenbrüstung zum Oberchor), A. 16. Jh. – Gewölbeausmalung im oberen Teil der Schlusskapelle des südl. Seitenschiffs (urspr. Sakristei, später abgetrennt, Stadtbibliothek) gegen 1510, mit dekorativer Betonung der Rippen und Dreiviertelfiguren von Engeln, Propheten und Sibyllen in Blütenkelchen rund um den Schlussstein.
Ausstattung
Holzkanzel 1669 (aus der alten St.-Lorenz-Kirche), dem Emporentyp folgend, mit schlichter Gliederung durch Ecksäulen und Ohrenfelder, getragen von einer großen Rippenkonsole. Dazu achtseitiger Schalldeckel mit Volutenkrone und triumphierendem Christus. – Chorgestühl auf dem hohen Mönchschor, im Kern um 1329 (d), mit Ergänzungen von 1472, 1829 neu angeordnet. Zum ältesten Bestand gehören die meisten Sitze und vier reich beschnitzte Wangen mit vorgelegten Säulen, architektonischem Maßwerkdekor bzw. von Weinlaub umgebenen Rundmedaillons, in denen groteske Reiter dargestellt sind (vergleichbar die reichen Teile des jüngeren Chorgestühls in der Preetzer Klosterkirche). Die beiden hohen Außenwangen im oberen Teil mit Drachen und Weinranken. Die Dorsalwände mit Baldachinkehle spätgotisch. In den Feldern gemalte Figuren von Heiligen, Gelehrten und kirchlichen Würdenträgern, die in Beziehung zum Franziskanerorden stehen, 2. H. 15. Jh. – Zwei dreiseitige, verdachte Renaissancestühle, v. Höveln1594 und Witik1597. – Lettnerartige Abschrankung des Hochchores gegen das Langhaus. Die mannshohe Brüstung unten schlicht vertäfelt, oben vergittert, mit spätgotischem Blütenkelchkamm. In der Mitte Uhr von 1597 in Hermenpilasterrahmen, seitlich anschließend sechs Tafelgemälde mit Darstellungen aus der Passion Christi, 17. Jh. Vor den Bogenzwickeln an der Stirnseite des Unterchores Holzverkleidungen mit Quadermalerei und Wappen des späten 17. Jh. Über der Brüstung überlebensgroße hölzerne Kreuzgruppe, 2. Dr. 15. Jh. in Formen des ausgehenden Weichen Stils. Das an einer Stangenkette aufgehängte Kreuz mit großen Krabben und Vierpass-Endscheiben mit Evangelistenfiguren; rückseitig gemaltes Kruzifix mit Datum 1489. Beifiguren auf Tragestangen.
Gemälde: Jüngstes Gericht 1557, aus St. Jakobi. – Anbetung der Hirten, 1569 von J. de Laval. – Auferweckung des Lazarus 1576 von J. Tintoretto. Dramatische Diagonalkomposition. Der 1578 im Auftrage der Lübecker Stifter von einem auswärtigen Meister für das Bild angefertigte Rahmen, eine gemalte phantastische Architektur mit Hermen, Evangelistenfiguren, Allegorien und Stifterwappen auf ausgesägten Brettern, ist ein charakteristisches Beispiel des nordischen Manierismus. – Auferstehung Christi 1718.
Epitaphien: Budan († 1561). Großes Gemälde des Jüngsten Gerichts mit kniender Stifterfamilie im unteren Teil von J. Conradus, gerahmt mit Säulen und Baldachin, aus den 1570er Jahren. – Hahne, 1576 gestiftet, Gegenstück des vorigen. Gemälde der Auferstehung Christi, im unteren Teil die ausgezeichnet porträtierte, kniende Stifterfamilie, von L. Dams. – Kampferbeke († 1589), geschnitztes Wappenepitaph mit Inschrifttafel und kleinem gemaltem Ovalbildnis. – Möller (1647), dreiflügelig, um den jetzt leeren Rahmen im Mittelfeld drei Engelreliefs mit Attributen der Haupttugenden, kalligraphische Inschriften und Zahlenquadrat, das die Jahreszahl der Stiftung ergibt. – Zacharias Kniller 1676. Auf Holz gemalter rotmarmorner Architekturaufbau mit ovalem Porträtbildnis des Verstorbenen, gemalt von seinem Sohn G. Kniller. – Svantenius († 1717). Hölzerner Stelenaufbau mit gemaltem Brustbildnis. – v. Seelen 1764. Über einem hölzernen, sarkophagartigen Sockel ovales Brustbildnis von einem Putto vor geschnitzter Draperie mit Baldachin gehalten. – Unter zahlreichen Grabplatten hervorzuheben: Bürgermeister Johann Lüneburg († 1461), in einen Grabstein eingelegte gravierte Messingplatte (untere Chorapsis), ausgezeichnete lübische Arbeit, noch dem alt-flandrischen Typ (vgl. die Platte der Bischöfe Mul und Serken des Doms) folgend. Der porträtähnliche Verstorbene in reichem Brokatrock unter dem Kielbogen einer kleinteiligen Maßwerkarchitektur, die von einem Inschriftband mit Evangelistensymbolen in Eckfeldern und einer ornamentalen Wurzel-Jesse-Darstellung doppelt gerahmt wird. – Ritzgrabplatten (Kalkstein): Unbekannt von 1325 mit lebensgroßer Frauengestalt (Crispin-Kapelle). Bischof Jakob von Ösel († 1337) mit z. T. abgetretener Zeichnung des Verstorbenen unter einem Kielbogen (Oberchor). Papendorp († 1339/50). Ehepaar unter Doppelbaldachin. Wappen nachträglich eingemeißelt (Papendorp-Kapelle).
Grabkapellen an der Südseite des Langhauses, von Osten nach Westen: Witik, kurz nach 1458 erbaut, mit spätgotischer Schranke aus eisernem Diagonalgitter über vertäfeltem Unterteil und schönem Maßwerkfries als Abschluss. – Papendorp oder Gerken. Wohl die älteste der Seitenkapellen, 1350 errichtet, mit Kreuzrippengewölbe und Schildbogen auf Laubwerkkonsolen. Die dreiachsige, hölzerne Portalwand von 1750, dem Vorbild der marmornen des Th. Quellinus für die v. Lente-Kapelle im Dom folgend, im Einzelnen jedoch vereinfacht und abgewandelt, mit Laubwerkgittern in Portal und ovalen Seitenfenstern und anderem Figurenprogramm. Über der Mitte vor kleinem Volutengiebel sitzend auf einer Tafel mit der Grabinschrift der Tod, ein gemaltes Ovalporträt des Verstorbenen in Händen, darüber Standfigur des Chronos; seitlich auf Giebelstücken trauernde Frauen. Gleichzeitig Ausmalung der Kapelle mit spätbarockem Rankenwerk, der Auferstehung Christi an der Westwand und Putten mit Leidenswerkzeugen im Gewölbe. – Tode oder Green, 1725 neu gestaltet. In der runden, gerahmten Bogenöffnung dreiachsige Portalwand aus Kalkstein, dem gleichen Vorbild wie die vorige folgend. Über dem Mittelteil Segmentbogengiebel mit zwei allegorischen Sitzfiguren und auf einem Postament ein stehender Todesengel. Vor dem Giebelfeld Kartuschen mit Todesemblemen. Gitterwerk der beiden Fenster und des Portals von 1796. Die gefelderte Tonnenwölbung nach dem gleichen System wie die v. Lente-Kapelle stuckiert: in der Mitte Okulus, seitlich große Kartuschen. – Reventlow, 1759 ausgebaut und dekoriert. Die rundbogige, gerahmte Öffnung zum Schiff mit hohem Schmiedegitter geschlossen. Wände und Tonnengewölbe stuckiert. Auf einer Bodenerhöhung Marmorgrabmal von S. C. Stanley, Kopenhagen: Sarkophag des Claudius Reventlow († 1758), an dessen Ecken vier trauernde Tugendfiguren in Lebensgröße (Marmor) sitzen. – Detharding, Anbau von 1761. Die flache Tonne und die Wände im Zopfstil stuckiert. An der Rückwand pyramidenartiger Aufbau mit von Putten gehaltenem Ovalporträt von J. C. D. Bleiel, davor der hölzerne Sarkophag des Georg Wilhelm Detharding († 1782), an dessen Enden der Tod und eine trauernde Lubecka sitzen. – Bartels-Kapelle am Ostjoch des nördl. Seitenschiffs, wohl A. 16. Jh., mit fünfteiligem Kreuzrippengewölbe und spätgotischem Schrankenwerk, dessen Diagonalgitter durch einen Rankenfries mit schönem Blütenkamm abgeschlossen wird.
Die Klostergebäude, etwa ab 1351 neu errichtet (Bauinschrift im westl. Kreuzgang von 1353), nach der Profanierung durch die Reformation als Gymnasium und Stadtbibliothek verwendet und mehrfach verändert, sind noch teilweise hinter und in dem neugotischen Gymnasiumsbau von 1880 erhalten. Die einheitliche Anlage um zwei rechteckige Höfe geordnet. Der größere, unmittelbar am südl. Seitenschiff der Kirche gelegen, wird im Osten, Westen und Süden von drei zweigeschossigen Kreuzgängen mit quadratischen Kreuzrippengewölben umschlossen. Der zweite, sich im Süden anschließende Hof hat zwei schmale Kreuzgänge im Osten und Norden, letzterer Wand an Wand mit dem südl. des großen Hofs. Die beiden östl. Kreuzgänge sind in einen zweigeschossigen Ostflügel (Dachwerk 1421/22 und 1519/20 [d]) mit hohem Satteldach und kräftiger Gliederung durch Stützpfeiler einbezogen. Dieser enthält im Untergeschoss drei zweischiffig über Stützpfeilern gewölbte Säle von je zwei Jochen. Von den Stützen nur der kämpferlose Rundpfeiler im südl. Saal urspr. Die beiden nördl. Säle gingen aus der Unterteilung des ehem. Kapitelsaals hervor, zu dem vom Kreuzgang das heute vermauerte spitzbogige Portal mit profiliertem Gewände und beiderseitigen schmaleren Nebenportalen führte. Ein schmaler, gewölbter Durchgang führt auf den Winkel der beiden Kreuzgänge im kleinen Hof. Neben der Kirche ist ein einjochiger Raum abgetrennt. Das Obergeschoss, in dem 1616–22 die Bibliothek eingeräumt wurde, diente urspr. als Dormitorium und wird einschiffig von neun, in den vier südl. Jochen flachen, in den anderen hoch ansteigenden und gebusten Kreuzrippengewölben überspannt, unter den Holzfußböden des 19. Jh. historische Fliesenböden erhalten. Dekorativ beschnitzte Bücherregale 1618/19 von H. Holtkamp im Bibliotheksgründungssaal und 1760 im Scharbausaal. Ein Erd- und ein Himmelsglobus 1616 und 1622 von W. Jansen, Amsterdam. Porträtsammlung, u. a. mit Werken von Z. Kniller, S. Torelli, J. C. D. Bleiel, Th. Rehbenitz.
Das Obergeschoss des Kreuzganges mit späterer Stichbogentonne und Unterteilung sowie Resten dekorativer Bemalung des 15.–17. Jh. – Die Front des zweigeschossigen Kreuzganges an der Westseite des großen Hofes durch Schichtenwechsel aus dunkel glasierten und unglasierten Ziegeln ausgezeichnet. Von den ehem. anschließenden Räumlichkeiten dienten die unteren als Klosterbibliothek. – Gut erhalten der Südflügel am kleinen Hof. Die Hoffront wird durch diagonal gestellte Stützpfeiler gegliedert. Im Untergeschoss das ehem. Refektorium, fünf Joche lang, zweischiffig über Säulen mit Knollenkapitellen gewölbt. In zwei Schildbogenfeldern der Westwand Fragmente von Kalkmalerei um 1440, Verkündigung an Maria in der symbolischen Darstellung der Einhornjagd, ältestes bekanntes Beispiel des Typs, und Christus mit Maria thronend. – Von dem Westflügel am kleinen Hof blieben zwei Joche des zweischiffig gewölbten Untergeschosses erhalten. – Die Fenster wurden allenthalben mit Ausnahme der großen, dreiteiligen Kreuzgangfenster verändert. Ein Rest kleiner gekuppelter Obergeschossfenster an der Ostseite des Ostflügels. – Sandsteinrelief der hl. Katharina 1592, vom ehem. Pförtnerhaus.

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