LÜBECK-TRAVEMÜNDE / Ev. St.-Lorenz-Kirche / Patene
Ev.
St.-Lorenz-Kirche,
Kirchenstraße . Erste
Erwähnung 1235. Beim Stadtbrand 1522 weitgehend zerstört
und mit Ausnahme des Turmes und Teilen des Chores wohl bis 1557 nahezu neu aufgebaut. – Recht
großer, lang gestreckter Backsteinsaalbau: Schiff und kaum
eingezogener, langer Chor, im Äußeren zwar mit verschieden
hohen Satteldächern leicht gegeneinander abgesetzt, im Inneren jedoch
ohne Chorbogen unter in Chor und Langhaus unterschiedlich hoher Holzbalkendecke
einen einheitlichen Raum bildend. Die Grundrissform wurde zumindest für
den Chor durch den Vorgängerbau festgelegt, dessen Chormauern vor allem
im Norden und Osten bis zu Mannshöhe (innen durch den
Mauerrücksprung markiert) erhalten sind. Sie zeigen außen
einen schlichten Sockel, Ecklisenen und eine Mittellisene an der Nordwand, sowie
innen in der Südostecke den Rest einer Gewölbevorlage aus
Vollsteinen, Anhaltspunkte, die auf einen spätromanischen Kastenchor
von zwei Jochen mit Kreuzgratgewölben über Schildbogen
hindeuten. – Der Wiederaufbau begann wahrscheinlich mit dem Schiff,
noch in spätgotischen Formen. An den Längswänden vier
Fenster mit recht schlanken, spitzbogigen Gewänden, die an der
Nordseite noch das urspr. Profil mit eingelegtem Rundstab haben. Innen liegen
sie in Flachbogennischen. Später wurden sie etwas verkleinert. In der
Querachse zwei korbbogige Portale mit umlaufenden Taustäben. Das
südl. größer und in einer Kielbogenblende unter
angeputztem Bogengesims. – Der Chor entstand bereits in
fortschrittlichen Formen des zweiten Jahrhundertdrittels. An der Nordseite drei,
an der Ostseite zwei große, breiter proportionierte Rundbogenfenster
mit gestuften Gewänden aus Fasensteinen. Die Ostfenster in
jüngster Zeit vermauert. Im Südwesten kleine, rundbogige, aus
Fasensteinen gestufte Pforte, darüber ein weiteres Fenster. Die
Südwand im Übrigen fensterlos, da sich ein im Kern auf die
Vorgängerkirche zurückgehender Anbau mit
tonnengewölbter Sakristei im Osten und Leichenhalle
anschließt. – Der stämmige Westturm 1605/06, wohl unter Benutzung von Resten
eines vorhergehenden, erneuert und 1619–21 mit dem Oktogongeschoss
und schlankem, achtseitigem Spitzhelm vollendet, Turmecken mit Quadern
verstärkt. In den Obergeschossen kleine rund- und stichbogige Fenster
mit Viertelstabgewänden. Der untere Teil der Westwand wohl 1703 durch
eine Verblendmauer aus Quadern abgestützt. Das große,
rundbogige Westportal und das Innere der Turmhalle modern. – Bemalte
Holzbalkendecke mit mehreren
Bemalungssystemen: Im Schiff durchgehende, felderweise Kassettierung, deren
Füllungen auf blaugrauem Untergrund kräftiges Blattwerk mit
aufgesetzten Lichtern zeigen, die gerundeten Balkenkanten mit
rot-weißer Bänderung. Die durch Kartusche mit Jahreszahl
1602 an einem Balken dat.
Malerei wurde um 1700 in Fehlstellen im gleichen
Duktus ergänzt, jedoch die Felder mit Akanthusranken auf rotem Grund
versehen. Vereinzelt Lübecker Wappen, ein weiteres mit Initialen
B. H. daneben innerhalb der Malerei. Das durch die tiefer gelegene
Decke des Chores gebildete breite Stirnfeld der Triumphbogenzone mit nur noch
fragmentarisch erhaltener Darstellung des Jüngsten Gerichts. Im Chor
über der ersten Bemalung, die eine geometrische Felderteilung in
Rot-Gelb-Tönen mit schwarz angelegter Maureskenornamentik aus dem
späten 16. Jh. zeigt, einheitlicher grauer Anstrich, nur die
drei Deckenfelder über dem Altar in hellblauer Flächenbemalung
mit Wolken sowie Engeln und Putten. Diese Glorienmalerei vermutlich im
Zusammenhang mit der Neuaufstellung des barocken Altars entstanden.
Altar 1723, zum Gedächtnis an
Johannes Rodde († 1720)
gestiftet, mit Sicherheit aus der Werkstatt des H. J. Hassenberg. Eine dem
großen Altar von St. Jakobi nahestehende, vereinfachte und
verkleinerte Variante der Form des ehem. St. Marien-Altars von
Th. Quellinus.
Holzaufbau, durch Anstrich Marmor vortäuschend, mit recht
qualitätvollen, wohl Hassenberg selbst zuzuschreibenden
Marmorfiguren. Die kolossale Nischenarchitektur des Vorbildes ist in
Annäherung an den herkömmlichen Typ des zweigeschossigen
Aufsatzes aufgegeben. Das Figurenprogramm blieb verbindlich. Auf hohem,
zweiteiligem Sockel mit Predellarelief des Abendmahls freiplastische Kreuzgruppe
in flacher Nische zwischen schräg gestellten, gekuppelten
Freisäulen. Diese tragen auf ihrem Gebälk zwei große,
kannelierte Voluten, die eine zweite Nische mit der Freifigur des auferstandenen
Christus einfassen. Beide Nischen sind aus einer durchgehenden gebogenen
Rückwand entwickelt. Auf den Voluten sitzend zwei Posaunenengel. Auf
dem segmentbogigen Abschluss der Nischenwand Flammenurne zwischen
herabhängenden Füllhörnern. Seitlich auf dem Sockel
zwei trauernde Putten, die Schilde mit dem Stifterwappen und der
Epitaphinschrift halten.
Taufe. Fragment der
spätromanischen Vierpasskuppa aus Kalkstein,
die zur ersten Kirche gehörte, im Turm.
Holzkanzel 1735.
Stattliches, reich beschnitztes Werk der Régence, marmorfarben bemalt.
Voluminöser Korb von breit ovaler Grundform. Zwischen Brüstung
und Wandkonsole kräftiger Wulst. Flache, die Gesamtform betonende
Gliederung durch vertikale Bänder mit Akanthuslaub und schmale Felder
mit Bandelwerkdekor. Das stark gekehlte Abschlussgesims z. T. von
Ornamentspangen übergriffen. Vor der Korbmitte Stifterwappen der
Lübecker Familie Siricius.
Verhältnismäßig kleiner Baldachin-Schalldeckel,
bekrönt von der Jahwesonne über Wolken mit der Taube des
Hl. Geistes. Schalldeckel und Korb durch eine reich ornamentierte
Rückwand verbunden. Treppengeländer mit Bandelwerkdekor,
übergiebelte Tür mit Stifterinschrift und
Flammenurne.
Gestühlsbrüstungen und
-wangen des 16. und 17. Jh. zur Vertäfelung des Chores
verwandt. Die ältesten 1557 dat., mit
Hausmarken. Besonders schön sechs
Brüstungen um
1660/70 mit Knorpelwerkquerfüllungen im Fries.
– Hölzernes
Triumphkreuz, lebensgroß,
letztes V. 15. Jh. –
St.-Jürgen-Gruppe, Holz,
abgebeizt, um 1520, aus dem abgebrochenen
Travemünder Siechenhaus. –
Pastorenbilder:
Wendt († 1715),
Fitzmann († 1719), beide ganzfigurig
und lebensgroß, Hasse (†
1836), Halbfigur auf einer Kanzel, in schönem,
klassizistischem Rahmen.
Mehrere,
z. T. aufwändige
Holzepitaphien. Besonders zu nennen:
Steinmetz1663. Zweigeschossiger Architekturaufbau mit
Säulen und Gemälden in beiden Geschossen, noch nach
geläufigem Spätrenaissanceschema. Hauptgemälde der
Stifterfamilie von J. Dietzius, Dresden
(sign.). –
Siricius
(† 1769). Vor geschweifter Rückwand ovales Brustbildnis,
umgeben von drei Putten, die Zeit, Tod und Fama darstellen; bekrönend
Blumenschale. –
Ostermeier
(† 1796). Strenger Zopfstilaufbau. Über sockelartiger
Inschrifttafel steile, von Pilastern eingefasste Giebelwand mit gemaltem
Brustbildnis unter einem Baldachin, seitlich weiblicher Genius und Flammenurne;
auf einer Unterhangkonsole Geräte der Astronomie, am Giebel Auge
Gottes. –
Schoof
(† 1818). Große, klassizistische Ädikula mit
ionischen Freisäulen, darin ganzfiguriges Bildnis unter einer
Lünette mit Wappen und Ranken. Im Sockel Flachnische mit Ampel.
–
Marmorepitaph
Sibeth1840. Vor
schlichter grauer Rückwand Relief-Applikationen: weiße Stele
mit Schriftrolle, schwebender Taube, verhüllter Sonne und Wappen.
–
Messingkronleuchter
1660, mit zwei Lichtkränzen, bekrönt
von Jupiter auf dem Adler. – Mehrere
Messingwandleuchter des
16./17. Jh. –
Abendmahlskelch, Silber vergoldet,
um 1350/60, lübisch. Betonter Nodus mit
rhombischen Rotuln, die Heiligenköpfe in Schmelz zeigen. Auf dem
ausladenden, runden Fuß aufgenietete Figur des Gekreuzigten und wohl im
18. Jh.
zugefügte antike Gemme. – Gotische
Patene, Silber vergoldet, mit getriebenem
Vierpass und Evangelistensymbolen in den Zwickeln.