TIEFENBRONN / Kath. Pfarrkirche St. Maria Magdalena / Sakramentshäuschen
Kath. Pfarrkirche St. Maria
Magdalena seit dem 16. Jh., vorher Unserer Lieben Frau.
Erste Erwähnung 1347. Pfarrkirche seit
1445. Das Patronat kam bei der Säkularisation von Kloster Hirsau an
Württemberg, das es 1541 an die Gemmingen abtrat, bei denen es bis 1839
verblieb.
Baubeginn um 1370/80 mit dem zweijochigen
Chor mit 5/8-Schluß und Kreuzgewölben auf Kragsteinen sowie dem nördlich
angebauten Turm bis zum aus dem 17. Jh.
stammenden Glockengeschoß. Das um 1400/20
entstandene dreischiffige, fünfjochige Langhaus mit zweiteiligen Fenstern
bei sonst ungegliederter Hochschiffwand folgt dem Typus der von Hirsau und
Alpirsbach ausgehenden flachgedeckten Basilika, insbesondere dem der
seeschwäbischen Sondergruppe mit Oktogonpfeilern (z. B. in Konstanz,
Augustiner- und Dreifaltigkeitskirche). Die gotische
Balkendecke
1947/49 freigelegt. 1463 Bau einer doppelstöckigen Sakristei an der Nordseite des
Chors durch „mayster balthasar“ von Horrheim (Meister Balthasar von Horrheim).
Ausstattung
Wandmalereien: an der chorseitigen Triumphbogenwand Jüngstes
Gericht, um 1400, wie die drei Heiligengruppen in spitzbogiger
Rahmung als Altarbilder an der Langhausostwand – die vierte wurde durch den
Magdalenenaltar ersetzt. – Votivbild zu beiden Seiten des Chorbogens mit
Stifterfamilien, wohl Volz von Weitingen und
Anna von Gemmingen. – Friese von je 38 Adelswappen
mit Beischriften an beiden Hochschiffwänden, an der Langhausnordwand
außerdem
Maria, die mit ihrem Mantel die Menschheit vor den
göttlichen Zornespfeilen schützt (>>Altstädterkirche in Pforzheim
>> Niefern), um 1430.
Glasfenster: in den drei Fenstern des Chorschlusses
Glasmalereien einer Straßburger Werkstatt aus dem letzten Viertel des
14. Jh.s mit Szenen des Marienlebens, Stifterwappen der Häuser
Württemberg und Baden sowie entsprechenden Wappen außer dem von Tiefenbronn.
Die modernen
Fenster aus den 70er Jahren von
Emil Wachter.
Altäre:
Hochaltar, einziges signiertes und 1469
inschriftlich dat., raumfüllendes Werk des Ulmer Malers Hans Schüchlin. Über der gemalten Predella mit
den Halbfiguren der Apostel und in ihrer Mitte Gottvater; im
zweigeschossigen, dreiteiligen Schrein 1870 neu gefaßte Plastiken: oben die
Kreuzabnahme zwischen den hll. Katharina und Dorothea, unten die von den
beiden Johannes flankierte Beweinung bei Verwendung des bereits im
ersten
Viertel des 15. Jh.s entstandenen
Vesperbildes. In der Kehle Wappen: oben links
Württemberg, rechts Baden-Sponheim, unten links das des Hirsauer Abtes
Bernhard von Gernsbach, rechts das der
Gemmingen; im Gesprenge Kruzifix zwischen Maria und
Johannes. Die gemalten Flügel zeigen innen vor Goldgrund: Christus vor
Pilatus, Kreuztragung, Grablegung und Auferstehung, außen vor einem
Landschaftshintergrund: Verkündigung, Heimsuchung, Geburt Christi und
Anbetung der Hll. Drei Könige; auf der gemalten Rückseite der Predella:
Kirchenväter, auf der Rückseite des Schreins: Heilige, Michael, Christus,
die Schmerzensmutter und Johannes.
Magdalenenaltar an der Ostwand des südlichen Seitenschiffs.
Urspr. Altarschrein mit Figuren verloren, heutiger größerer Schrein mit der
plastischen Erhebung Magdalenas als Büßerin im Haarkleid durch sieben Engel
aus dem ersten Viertel des 16. Jh.s. Die spitzbogige Form des Rahmens in der
Nachfolge der Wandaltäre. Von der frankoflämischen Buchmalerei beeinflußtes
Spitzenwerk der Malerei des 15. Jh.s. Einziges erhaltenes, auf den
Inschriftstreifen bezeichnetes, dat. und mit einer Künstlerklage versehenes
Werk von Lucas Moser: „schri . kunst .
schri . vnd . klg . dich . ser . din . begert . iecz . niemen . mer . so .o.
we . 1432 . LVCAS . MOSER . MALER . VON . WIL . MAISTER .
DES.WERX.BIT.GOT.VIR. IN.“. Auf der Predella: Gleichnis der Klugen und
Törichten Jungfrauen mit Magdalena als törichter, Martha als kluger Jungfrau
mit Stifterwappen; links Bernhard Stein zu Steinegg (mit Wolfsangeln),
rechts seine Frau Engelin Maiser von Berg (Meise). Im Bogenfeld: Reuesalbung
Maria Magdalenas. Im geschlossenen Zustand: links die Meerfahrt der Heiligen
mit ihren Geschwistern sowie Cedonius und Maximin nach Marseille, in der
Mitte: die Heiligen vor den Toren der Stadt und Erscheinung Magdalenas vor
dem heidnischen Fürstenpaar, rechts die letzte Kommunion der Büßerin durch
Bischof Maximin in Aix. Auf den Flügelinnenseiten: die bethanischen
Geschwister der Heiligen, Martha als Myrophore, Lazarus als Bischof.
Marienaltar von 1517 am nördlichen Ostpfeiler des
Langhauses. Über der gemalten Predella mit dem Schweißtuch der hl. Veronika
als Schnitzwerk: im Schrein Madonna zwischen Petrus und Paulus, bekrönt von
der Kreuzigungsgruppe, auf den geöffneten Flügeln Kaiserin Helena und Kaiser
Konstantin, im geschlossenen Zustand die hll. Ursula und Apollonia als
Gemälde.
Kreuzaltar von 1524 am südlichen Ostpfeiler des
Langhauses, oberrheinisch. Im Schrein geschnitzte Kreuzigungsgruppe, bekrönt
von den Figuren der hll. Florian, Sebastian und Christophorus. Gemalte
Flügel: innen Taufe Jesu im Jordan, Enthauptung des Täufers, außen Nikolaus
und Katharina, auf den Standflügeln Sebastian und Rochus. –
Sippenaltar des frühen 16. Jh.s der Westwand
des südlichen Seitenschiffs. Nur der Schrein mit den geschnitzten Figuren
der Hl. Familie: Maria mit Kind, Joseph, Anna und Joachim erhalten.
Weitere
Ausstattung:
Moderner
Zelebrationsaltar,
Lesepult,
Sedilien und
Leuchter von Wilhelm Müller, 1975.
–
Sakramentshäuschen, um 1500,
mit
Tabernakel des späten 14. Jh.s. –
Chorgestühl (Nordseite) erste Hälfte
15. Jh., das an der Südseite um 1500/10, Meister Kern aus Pforzheim zugeschrieben. Mit
Hirsauer Wappen und Wappen der Familien von Gemmingen sowie
Prophetenbrustbilder und Reliefs der Madonna und Maria Magdalena mit
Salbgefäß. – Im Chor (urspr. an den Chorstrebepfeilern) Muttergottes- und
gekrönte
Heiligenfigur (Maria Magdalena?), Kalkstein,
spätes 14. Jh. –
Madonna, Holz, zweite
Hälfte 14. Jh. – Qualitätvoller
Sakristeischrank
von 1462. –
Turmmonstranz aus Silber,
1512/13; herausragendes Werk spätgotischer
Goldschmiedekunst, dem Augsburger Jörg
Seld unter Beteiligung von Jörg
Schweiger zugeschrieben. –
Grabdenkmäler der
Ortsherren von Gemmingen, 15.–18. Jh.,
beachtlich die geharnischte
Figur
Ottos d. J. von Gemmingen (1475–1558).