AACHEN / Kath. Dom St. Marien

Kath. Dom St. Marien, ehem. Pfalzkapelle und Stiftskirche ( Domhof ): Die außergewöhnliche Bedeutung des Aachener Doms ist gleichermaßen in seiner Geschichte begründet wie im hohen Rang seiner Architektur. Charakteristisch die dreiteilige Baugruppe, in der Mitte der Zentralbau aus dem späten 8. Jh., ein hohes, überwölbtes Achteck mit sechzehneckigem Umgang von zwei Geschossen, umgeben von zumeist spätgotischen Kapellen und bekrönt von einem barocken Faltkuppeldach mit Laterne; daran anschließend der karolingische Westbau mit flankierenden Treppentürmen und neugotischem Turmaufsatz, im Osten die hoch aufragende gotische Chorhalle des 14./15. Jh. Der Zentralbau entstand um 790/95 als herausragender Bau der Pfalzanlage, die Karl der Große anstelle eines fränkischen Königshofs hatte anlegen lassen und deren urspr. Gestalt und Ausmaße durch zeitgenössische Beschreibungen überliefert sowie durch Grabungen im 20. Jh. in großen Teilen erschlossen worden sind. Den ausgedehnten Pfalzhof, in dem im 9. Jh. ein bronzenes Reiterstandbild Theoderichs aufgestellt war, und die daran stehenden Gebäude nördl. der ehem. Pfalzkirche zeichnet der Katschhof nach, den im Norden das >> Rathaus anstelle der ehem. Königshalle begrenzt und an dessen Westseite anstelle der modernen Gebäude ein Gang mit Torgebäude die Königshalle und den Westbau der Kirche verband. Das dem Westbau urspr. vorgelagerte Atrium, in dessen Mitte ein Brunnen stand, lässt sich in seinen Abmessungen noch im Domhof erkennen. Der Kirche waren außerdem an der Nord- und Südseite zwei sog. Annexbauten mit Zugängen in beiden Geschossen angegliedert. Die Gebäude des wohl mit der Kirche begründeten Marienstifts sind noch in der Lage des heute weitgehend rekonstruierten spätgotischen Kreuzgangs an der Nordseite des Domhofs fassbar (ein Rekonstruktionsmodell der Pfalzanlage im >> Museum Burg Frankenberg).
Die in Anlehnung an antike und byzantinische Kaiservillen und Palastanlagen geplante Pfalz war seit E. 8. Jh. der bevorzugte Sitz Karls. Die Kirche mit ihrer prachtvollen Ausstattung durch antike Marmorsäulen und weitere Spolien sowie Bronzegüsse ist bereits in zeitgenössischen Texten ausführlich beschrieben worden, vor allem in der um 830 von Karls Hofmann Einhard verfassten panegyrischen Lebensbeschreibung. 814 wurde Karl in ihr an einem heute unbekannten Ort begraben. Seine Nachfolger haben die Aachener Pfalz nicht weiter als ständigen Sitz genutzt.
Die Inthronisation Ottos I. 936 in Kirche und Mausoleum Karls des Großen begründete die bis 1531 lebendige Tradition als Hauptkrönungsort der deutschen Könige, der 1165 mit der Heiligsprechung Karls des Großen zusätzliche Weihe erhielt. Durch den Besitz berühmter Marienreliquien war hier außerdem ein wichtiges Pilgerzentrum der europäischen Christenheit entstanden, Ziel der seit 1349 alle sieben Jahre stattfindenden Aachener Heiltumsfahrt. Bis zur Gründung von >> St. Foillan war die Pfalz- und Stiftskirche auch einzige Pfarrkirche der Stadt, das alleinige Taufrecht blieb bis 1821 mit ihrer Taufkapelle verbunden. 1802–21 erstmals Bischofskirche, das urspr. Stifts- in ein Domkapitel umgewandelt; seit 1930 erneut Bischofssitz. 1978 wurde der Dom in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.
Baugeschichte
In den Ruinen einer römischen Thermenanlage ein 765/66 erstmals erwähntes königliches Hofgut. Fundamente einer zugehörigen Kirche (aus dem 5./6. Jh.?) 1910–14 im Ostteil des Oktogons ergraben. Der Baubeginn der karolingischen Pfalz ist nicht bekannt; meist auf den Bau bezogene Schriftquellen stehen entweder in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den Aachener Pfalzgebäuden oder erlauben keine Rückschlüsse auf die Bauzeit; die Nachricht einer Weihe der Kirche durch Papst Leo III. 804/05 stammt frühestens aus dem 12. Jh. und ist mit Sicherheit legendär. Einzig ein Brief Alkuins, ehem. Leiter der Aachener Hofschule, aus dem Jahr 798 erlaubt den Schluss, dass der Zentralbau weitgehend vollendet war. Eine seit E. 9. Jh. überlieferte Bauinschrift nennt einen Meister Odo; dessen Funktion am Bau unbekannt. Zum urspr. Gebäude gehören der Westbau und ehem. die im Osten wenig vorspringende doppelgeschossige Rechteckapsis; gleichzeitig oder wenig später wohl auch beide Annexbauten und das Atrium fertig gestellt. Der vollständige Ausbau der Pfalzanlage dürfte sich bis in das 9. Jh. hingezogen haben.
Nach Stadtbrand 1146 der Tambour erhöht und das Zeltdach des Oktogons erneuert, der Westbau wohl um ein Glockengeschoss aufgestockt und durch eine Brücke mit dem Oktogon verbunden. 1224 nach erneutem Brand das Oktogon durch einen Kranz von Giebeln und ein hohes Faltdach bekrönt. Zur gleichen Zeit Fertigstellung des vom Probst Philipp von Schwaben E. 12. Jh. gestifteten Kreuzgangs im Winkel zwischen ehem. Atrium und Verbindungsgang. Im 13. Jh. Ausbau der Atriumsflügel mit Kapellen. A. 14. Jh. an der Kirche Einbau des großen Westfensters und Erhöhung des Westbaus, die doppelgeschossigen Kapellen auf den seitlichen Treppentürmen M. 14. Jh.
1355 Urkunde über den Beschluss des Stiftskapitels, den Bau eines neuen Chors zu beginnen, um Platz für Pilger zu schaffen; erste Bauarbeiten wohl schon um 1353. In der Folgezeit Abriss einer frühgotischen Kapelle und des karolingischen Chors mit Teilen des östl. und der beiden angrenzenden Joche des Oktogonumgangs. Mit den ersten Bauarbeiten ein Meister Johannes in Zusammenhang gebracht, der 1338/39 und 1349/50 am Bau des Rathauses tätig war; um 1400 mit Schließung der Fensterbögen ein Meister Engelbert genannt. 1414 Weihe durch Bischof Heinrich von Sidon. Vor 1430 im Inneren der Skulpturenzyklus an den Chorpfeilern vollendet. Im Westjoch der Chorhalle der Marienaltar 1450–55 überbaut von der Marienkapelle; im 18. Jh. abgebrochen.
An der Südseite des Zentralbaus um 1370 Bau der vom ungarischen König Ludwig von Anjou für ungarische Pilger gestifteten Ungarnkapelle. Baueinheitlich mit der Chorhalle die Matthiaskapelle im Winkel zum Zentralbau errichtet und vor 1414 fertig gestellt. Im 2. V. 15. Jh. westl. daran anschließend die bereits 1362 erwähnte Annakapelle erneuert, 1449 der Annenaltar geweiht. Auf der Nordseite anstelle einer 1215 genannten Mauritiuskapelle 1455–74 Bau der Karls- und Hubertuskapelle, wohl gestiftet vom Herzog von Jülich. Nur wenig später neben dem nordwestl. Treppenturm Neubau der seit dem 13./14. Jh. belegten Nikolaus- und Michaelskapelle; die nördl. Bauteile nicht ausgeführt; 1513 Weihe des Michaelsaltars.
1624 nach Blitzschlag der Westturm teilweise abgetragen. Nach Stadtbrand 1656 das Oktogondach als Faltkuppel und das Chordach 1664 erneuert. 1719–33 Barockisierung des Innenraums. Die baufällige Ungarnkapelle unter Einbeziehung der alten Grundmauern 1748 von J.J. Couven erneuert und bereits 1755 abgebrochen; 1756–67 vollständiger Neubau nach Entwurf von J. Moretti. Im Zuge von Instandsetzungsarbeiten 1779 das originale Maßwerk der Chorfenster, 1786 die Marienkapelle entfernt.
1794/95 auf Veranlassung Napoleons alle 38 antiken Säulen des Zentralbaus ausgebaut und mit einigen Ausstattungsstücken nach Paris überführt. Nach 1815 bis auf acht Säulen zurückgebracht (diese z. T. im Louvre fest verbaut), aber erst 1843 wieder eingesetzt. 1850–68 in der Chorhalle neugotisches Maßwerk eingesetzt; Neuverglasung unter Leitung von P. Cornelius. Wohl im Zuge dieser Maßnahme wurde das urspr. Ankersystem der Chorhalle schwer beschädigt. 1870 Entfernung der barocken Stuckaturen. 1878–81 Kuppelmosaik nach Kartons des belgischen Malers J. B. Béthune; 1900–13 Mosaiken in Tambour und Umgängen nach Kartons, Marmorverkleidung von Wänden und Pfeilern sowie die Fußböden nach Entwürfen von H. Schaper ausgeführt, auf Veranlassung Kaiser Wilhelms II. und nach Wünschen des Aachener Karlsvereins. 1873 die Giebel des Oktogons, 1878–84 von H. Schneider der Turmaufsatz des karolingischen Westbaus in Anlehnung an die überlieferten spätgotischen Aufbauten vollständig erneuert (niedriges Geschoss, darüber eine offene Galerie an drei Seiten um einen hohen Glockenstuhl; Brücke zum Oktogon, Kapellenaufbauten der Treppentürme). 1941 und 1943 Schäden durch Bombentreffer besonders in der Chorhalle und Zerstörung der Fenster von Cornelius. Nach dem Krieg Wiederherstellung durch J. Buchkremer, u. a. am Chor das Dach sowie Teile der Gewölbe, Fenstermaßwerke und Maßwerkbrüstungen erneuert; 1949–51 Neuverglasung durch W. Benner und A. Wendling. In der Folgezeit Baumaßnahmen durch F. Kreusch und L. Hugot. Umfassende Sanierung seit 1994, u. a. durch ein neues Ankersystem die Stabilität der Chorhalle gesichert.
Baubeschreibung
Im Grundriss bildet der karolingische Bau das Zentrum der Anlage. An den Westbau mit urspr. offener Vorhalle und seitlichen, gerundeten Treppentürmen schließt der Zentralbau mit achteckigem Mittelraum und sechzehneckigem Umgang an, der durch Maueransätze an den Freipfeilern und korrespondierende Wandpfeiler im Wechsel in rechteckige Raumabschnitte von der Breite der Oktogonseiten und dreieckige Zwickelräume unterteilt ist. An annähernd drei Seiten des Umgangs setzt im Osten der einschiffige gotische Chor aus zwei querrechteckigen Jochen und zentralisierendem 9/14-Schluss an; seine Abmessungen sind auf den Zentralbau bezogen, u. a. entspricht der Durchmesser des Chorhaupts dem des Oktogons. Die Kapellen an der Nord- und Südseite des Zentralbaus erscheinen als abgetrennte Nebenräume.
Außen tritt der den Grundriss dominierende Zentralbau hinter den Anbauten und späteren Überbauungen zurück. „Die Angliederung an den zentral disponierten Hauptbau (. . .) bewirkt eine eigenartig verworrene, höchst malerische Gruppierung.“ (Dehio) Die Kapellenüberragt der achteckige Mittelraum mit dem barocken Kuppeldach; auf dem urspr. Westbau der neugotische Turmaufsatz. Im Osten ist der gotische Chor mit dem karolingischen Zentralbau eigentümlich verzahnt; über annähernd drei Ostseiten des Erdgeschosses sind die Mauern der östl. Emporenräume ausgebrochen und die Chormauern über den schrägstehenden Emporenbögen aufgeführt, so dass ein dreiseitiger Schluss entsteht, dessen westl. Abschluss die Ostseite des Oktogons bildet.
Technisch waren beide Bauteile urspr. auch durch Ankersysteme miteinander verbunden, die sechs Eisenanker der Chorhalle durch ihre Bindung an die eisernen Ringanker des Oktogons gesichert.
Zentralbau: Das Mauerwerk des karolingischen Baus aus Grauwacke, Travertin und zweitverwendetem römischem Material war nach Befunden ziegelrot verputzt und ist deutlich vom Hausteinmauerwerk der jüngeren Bauten zu unterscheiden. Der sechzehneckige Umgang mit Rundbogenfenstern in beiden Geschossen und einem auf Konsolen liegenden, profilierten Traufsims gedeckt von einem umlaufenden Pultdach. Das Oktogon ebenfalls mit Rundbogenfenstern, Pilastern mit korinthischen Kapitellen und einem umlaufenden verkröpften Sims, bekrönt von dem im 19. Jh. erneuerten Tambourgeschoss mit Giebeln sowie der hohen barocken Faltkuppel mit offener Laterne. – Die beiden urspr. Geschosse und flankierende Treppentürmchen des Westbaus weitgehend schmucklos, die Westfassade dominiert von einer hohen Rundbogennische; im urspr. offenen Zugang der Vorhalle ein dreiseitig vortretender Portaleinbau von 1788 mit der karolingischen Bronzetür (sog. Wolfstür >> Bronzetüren), darüber ein kleines rechteckiges Fenster, das zum urspr. Bestand gehört, und ein breites Rundbogenfenster mit dreiteiligem Maßwerk von 1305. Die neugotischen Aufbauten mit umlaufender Galerie und anschließender Brücke zum Oktogon zur Schau der Heiltümer, flankiert von den kapellenartigen Heiltumskammern auf den Treppentürmen, hohem Glockengeschoss und von Ecktürmchen umstandenem Spitzhelm.
Der Innenraum blieb trotz mehrfacher Umgestaltungen in seiner Struktur unverändert. Der hohe achteckige Mittelraum durch ein Klostergewölbe geschlossen. Die beiden Umgangsgeschosse sind durch einen weit auskragenden Sims voneinander abgesetzt und im Erdgeschoss durch Arkaden auf schweren gewinkelten Pfeilern mit fein profilierten Kämpfersimsen zum Oktogon geöffnet, im Obergeschoss durch hohe Rundbögen. In diese eingestellt doppelte Säulenstellungen ohne tragende Funktion, die Säulenschäfte überwiegend die urspr. antiken Spolien; Basen und Kapitelle beim Wiedereinbau im 19. Jh. fast vollständig erneuert. Zusammen mit den davor eingezogenen karolingischen >> Bronzegittern schranken sie die Emporenräume gegen den Mittelraum ab. Die Umgangsräume im Erdgeschoss mit drei- und vierteiligen Gratgewölben; die Emporenräume durch Zwischenwände mit niedrigen Scheidbögen, genischte Außenwände und zum Mittelraum ansteigende Tonnengewölbe deutlicher voneinander geschieden; die Zwischenwände stützen zugleich den Tambour des Oktogons. Im Westen setzt daran die Vorhalle bzw. im Obergeschoss die sog. Kaiserloge an, vor der auf der Empore der >> Thron steht, im Osten die gotische Chorhalle anstelle des urspr. karolingischen Rechteckchors.
Die üppige Marmorverkleidung von Pfeilern und Wänden sowie die reiche Mosaizierung aller Gewölbe und des Tambours von E. 19./A. 20. Jh. verleihen dem Raum einen prachtvoll-festlichen Charakter; die mittelalterliche Gestaltung nur bruchstückhaft überliefert. Das Kuppelmosaik von Béthune eine Darstellung der 24 Ältesten vor dem Thron des apokalyptischen Gottes (Apok. 4), freie Nachschöpfung eines durch Zeichnungen aus dem 17. Jh. belegten Mosaiks unbekannten Alters, das seit M. 12. Jh. nachweisbar ist; es hatte wohl schon im 9. Jh. eine ältere Wandmalerei gleichen Themas verdeckt, deren Reste im 19. Jh. aufgedeckt und vernichtet wurden. Die übrigen Mosaiken von Schaper nach Studien byzantinischer und frühmittelalterlicher Vorlagen, im Tambour Apostel und die Deesis, flankiert von den Erzengeln Gabriel und Michael sowie den knienden Figuren Karls des Großen und Papst Leos III., in den Umgängen ornamentale und symbolische Darstellungen, in der Kaiserloge die Madonna. Im oberen Umgang Reste des karolingischen Fußbodenbelags aus spätantiken Stift- und Plattenmosaiken.
Der karolingische Zentralbau ist einer der Schöpfungsbauten der nachantiken Architektur. Bereits in Texten des 8./9. Jh. wurde er als einzigartig beschrieben. Der architektonische Aufwand (u. a. am Außenbau die exedrenförmige Nische der Westfassade und die Pilastergliederung des Oktogons, im Inneren das hohe kuppelförmige Gewölbe und der zweigeschossige Umgang) sowie die kostbare urspr. Ausstattung (antike Marmor- oder Granitsäulen, Skulpturen, Türen und Gitter in Bronzeguss) verweisen auf kaiserliche antike und byzantinische Bauten und belegen den ehrgeizigen Anspruch des Bauherrn. Spolien wurden nach Einhards Bericht aus Ravenna und Rom beschafft. Mit dem Ringankersystem des Oktogons folgte man auch technisch byzantinischer Bauweise. Die fernen Vorbilder der Kirche Karls des Großen mögen daher die Hagia Sophia und die Kirche Hagios Sergios und Bakchos im Bezirk des kaiserlichen Palastes in Byzanz (heute Küçük Ayasofya Camisi, Istanbul) gewesen sein. Wahrscheinlich aber orientierte man sich vor allem an San Vitale in Ravenna, die als Hofkirche Kaiser Justinians galt. Keiner der genannten Bauten wurde in Aachen getreu kopiert. Die eigenständige Verwendung architektonischer Zitate diente wie die zahlreichen Spolien der Darstellung der Herrschaft des fränkischen Königs. Schon vor dessen Kaiserkrönung im Jahr 800 stellte das Gebäude wohl dessen Anspruch auf einen den römischen und byzantinischen Herrschern ebenbürtigen Rang dar.
Der Bau hat nur vereinzelt Nachfolge gefunden, im 9. Jh. heute verschwundene Bauten, die die Erben Karls laut schriftlicher Überlieferung nach dem Aachener Vorbild errichten ließen (Diedenhofen, Compiègne). Nachdem Kirche und Mausoleum Karls des Großen im 10. Jh. als Krönungskirche der deutschen Könige etabliert worden war, entstanden bis ins 11. Jh. wenige, meist vereinfachte Nachbauten wie die Pfalzkapelle in Nimwegen (St. Nikolaus, um 1030) oder die ehem. Burgkapelle in Ottmarsheim im Elsass (1030/40), selten Teilkopien (Münster in >> Essen), häufiger Zitate einzelner Architekturelemente (St. Maria im Kapitol in >> Köln).
Von Anfang an war der Aachener Zentralbau auch Kirche des Marienstifts, die Unterkirche Chor der Stiftsherren, die Umgangsräume durch Zwischenwände abgeteilte Kapellen oder Nebenräume; im östl. Umgangsraum stand wie heute wieder der Maria geweihte Hauptaltar, dahinter ehem. in der Apsis der Petersaltar. Dem Hof blieb urspr. die Empore vorbehalten, in deren westl. Raum der >> Thron ehem. dem Salvatoraltar im Osten gegenüberstand, an dem 813 Karls Sohn Ludwig gekrönt wurde. Seit 936 fanden die Königskrönungen am Marienaltar statt.
Mit der Heiligsprechung Karls, der Erhebung seiner Gebeine in den >> Karlsschrein im Zentrum des Oktogons und der Ausstellung der Marienreliquien im >> Marienschrein hinter dem Marienaltar erhielt die Unterkirche zusätzlich die Funktion einer Pilgerkirche, die im 14. Jh. auf die Chorhalle überging.
Chorhalle: Der Bau des gotischen Chors aus Sand- und Blausteinmauerwerk ist durch schlanke Strebepfeiler mit Wasserschlägen gegliedert, zwischen denen sich über niedrigem profiliertem Sockel und aufgehender Mauer ansatzlos große spitzbogige Maßwerkfensteröffnen, deren mit Dreipässen und Rosetten besetzte Spitzbögen bisan das Traufgesims reichen; das fünf-, am Polygon zweiteilige Maßwerk neugotisch (das urspr. Maßwerk sechs- bzw. dreiteilig), das sechsteilige der beiden westl. Fenster von 1979/80. An den Pfeilern über dem dritten Wasserschlag paarweise Sockel und mächtige Fialbaldachine für ein urspr. wohl nicht ausgeführtes Skulpturenprogramm; die Figuren u. a. des himmlischen Hofstaats Mariens um 1873 von G. Götting. Fialaufsätze der Pfeiler und Traufbrüstung im 19. Jh. und nach dem II. WK erneuert, das abgewalmte barocke Dach und der 1914 aufgesetzte Firstkamm aus Kupferblech 1994–97 saniert.
Den Innenraum dominieren die hohen Fensteröffnungen. Sie setzen auf der Sohlbank der Sockelmauer an und nehmen die gesamte Breite zwischen kräftigen Bündelpfeilern ein. Im Polygon steigen die alten Dienste vom Boden, in den Jochen alle Dienste von der Sohlbank auf und werden absatzlos in Gurtbögen und Gewölberippen fortgeführt. Unter dem Gewölbe Querverstrebungen mit goldfarbenen Kugeln an Verbindungsstellen, Teile des gotischen Ankersystems, durch das die filigrane Architektur urspr. gesichert war. Die Gewölbe geschlossen durch acht vergoldete Schlusssteine mit den Darstellungen eines Bischofs, eines Papstes (Leo III.), Karls des Großen mit einem Modell des karolingischen Baus, Marias, des auferstandenden Christus sowie Engeln. An den Pfeilern auf von musizierenden Engeln getragenen Konsolen 14 etwa lebensgroße Standfiguren aus Sandstein unter hohen, von Fialen bekrönten Baldachinen, 1430 aufgestellt, die farbige Fassung von 1849–51, ein Apostelzyklus, der im Chorscheitel um die Gottesmutter als Himmelskönigin und Karl den Großen mit einem Modell der Chorhalle erweitert wurde. Stilistisch stehen die Figuren in Nachfolge der nordfranzösisch-belgischen Skulptur um 1400. Wohl im Zusammenhang mit den nachträglich versetzten Konsolen wurde die Sockelmauer noch während des Baus zweimal erhöht; die zunächst aufgesetzte Maßwerkblende ist unterhalb der Figur Karls freigelegt. Auf den in der Folge stark vergrößerten Wandflächen Reste von Wandmalereien aus dem 15.–17. Jh. An den Polygonwänden fragmentarisch Teppichmalerei und ein Schriftband, um 1430. – Aus der gleichen Zeit an der Westarkade zum Zentralbau Reste einer Verkündigungsszene, die ehem. als Reliefs eingesetzten Hauptfiguren, Engel und Maria, fielen wohl dem Einbau der Marienkapelle M. 15. Jh. zum Opfer. – Reste eines umlaufenden Malereizyklus, 1486 dat. und von Kaiser Friedrich III. wohl anlässlich der Krönung seines Sohnes Maximilian gestiftet; an den Längswänden urspr. jeweils sechs Szenen eines Marienzyklus (an der Südwand nur Reste der Marienkrönung), im Polygon von einer Folge hl. Stifter Kunigunde und Heinrich II. sowie Helena und Karl der Große an der Nordseite erhalten, ferner in urspr. vier Wandfeldern das Aachener Stiftswappen; im Zuge einer Erneuerung 1622 vor allem die Gemälde im Polygon erheblich übermalt. Weitere Malereien (Kreuzigungsgruppe, Christus wandelt auf dem Meer, Christophorus) wohl aus derselben Zeit sowie von E. 17. Jh. – Unterhalb der Malereien an den Längswänden Ritzzeichnungen, um 1400, größtenteils vom Chorgestühl verdeckt; in mehreren Schichten übereinander Entwürfe, Ausführungszeichnungen für Steinmetze oder Vorlagen für Schablonen, insbesondere für obere Teile der Chorhalle (Fensterbögen, Fialen) oder das Blendmaßwerk in der >> Matthiaskapelle. – An der westl. Schlusswand ein sechsteiliges Blendfenster, letzter Rest des originalen Maßwerks. – Die Glasmalereien 1949–51, die Ornamentfenster der Chorjoche von Wendling, das heilsgeschichtliche Bildprogramm im Polygon von Benner. Der Raum wird durch die in der tiefen Farbigkeit des 13. Jh. gehaltenen Fenster stark verdunkelt, wohl im Unterschied zu den um 1400 üblichen lichten Farben der verlorenen urspr. Fenster.
Der Typus des Chorbaus, einer einschiffigen, in schlanke Pfeiler und Glasflächen aufgelösten Halle, der sog. Capella vitrea, war im Obergeschoss der Ste. Chapelle in Paris vorgeprägt, die Ludwig der Heilige 1241–48 hatte errichten lassen, ein monumentaler Schrein, der mit der Dornenkrone Christi eine der wichtigsten Reliquien der Christenheit barg. Entsprechend der Interpretation der Capella vitrea als Abbild des himmlischen Jerusalem nach Apok. 21,11 ff. erscheinen in Paris und in Aachen die Apostel als Grundsteine am Ansatz der Pfeiler des Baus, in Aachen zusätzlich die Gottesmutter als Königin der Apostel und Karl, der ihr seine Kirche darbringt und sich in die Reihe der Nachfolger Christi einreiht (vgl. den Apostelzyklus im >> Kölner Domchor). Abweichend vom Pariser Vorbild der in der zeitgenössischen Architektur geläufige zentralisierende Polygonschluss (vgl. den nachfolgenden Chor von St. Andreas in >> Köln); die Doppelgeschossigkeit der französischen Palastkapelle in Aachen nur in der Sakristei beibehalten (>> Matthiaskapelle). Stilistisch gehört der Aachener Chor zum Umkreis der Bauhütte des >> Kölner Doms; verwandte Einzelformen besonders am Südseitenschiff und Untergeschoss des Südturms.
Der wiederholt vermutete Einfluss Karls IV. auf den Bau der Chorhalle ist ebensowenig nachzuweisen wie seine Eigenschaft als Stifter zahlreicher Stücke im >> Domschatz. Seine Verehrung für Karl den Großen äußerte sich bereits in seiner Krönung 1349 am Vorabend des zweiten Festtags des hl. Kaisers. Als monumentales Zeugnis für den Karlskult scheint der Chorbau im Zusammenhang zu stehen mit der Herrscherideologie Karls IV.
Traditionell aber gehörten Finanzierung und Bau zu den Aufgaben des Stiftskapitells, das den Bau laut Urkunde von 1355 auch beschlossen und begonnen hatte. Nach Fertigstellung verlegte es seinen Gottesdienstraum in den Chor, der jener Urkunde zufolge der Aufnahme der Pilger und damit der Verehrung der Heiligtümer dienen sollte. Im Polygon wurde der den Aposteln, dem hl. Adalbert sowie den hl. Kaisern Karl und Heinrich II. geweihte Choraltar aufgestellt, dahinter hoch erhoben im Zentrum des Chorhauptes der >> Karlsschrein, wo er seit 1988 wieder steht; der urspr. um Altar und Schrein abgesenkte Fußboden lässt eine Art Umgang für Pilger vermuten (>> Köln, St. Ursula). Im westl. Joch etwa anstelle des niedergelegten karolingischen Chors um 1450 die Marienkapelle errichtet, ein baldachinartiger Einbau auf acht freistehenden Pfeilern mit offenen Bögen und 5/8-Schluss, der den karolingischen Marien- und späteren Krönungsaltar sowie den dahinter querstehenden >> Marienschrein umschloss; Kapelle und Altar 1786 abgebrochen; Altar und Schrein heute wieder an der urspr. Stelle.
Die mit dem Chorneubau entstandene charakteristische Baugruppe aus Westturm, Kuppelbau und Chorhalle fand im 18. Jh. in benachbarten Neubauten wie den Johanneskirchen in Lüttich und >> Aachen-Burtscheid eine späte Wiederholung.
Kapellen: Die Matthiaskapelle, an der Südseite zwischen Zentralbau und Chor, eine doppelgeschossige Kapelle von einem rechteckigen Joch und 5/8-Schluss. Der Außenbau durch Strebepfeiler, verkröpfte Simse und dreibahnige Maßwerkfenster gegliedert; auf dem Hauptgesims die Pfeiler bekrönende Fialen und Maßwerkbrüstung aus dem 19. Jh. An den Pfeilern auf spätgotischen Sockeln mit kauernden Figuren ein neugotischer Skulpturenzyklus, Apostel und Evangelisten, 1873 von Götting anstelle bildlich überlieferter mittelalterlicher Skulpturen. Innen die Gestaltung der Sakristei im Untergeschoss auch stilistisch vom schlichten ehem. Archiv im Obergeschoss unterschieden. Im unteren Raum Bündelpfeiler mit Kapitellen, im Schlussstein des Polygons die Marienkrönung; Wandgliederung mit reichem Blendmaßwerk, in dessen Zwickeln vierzehn Prophetenfiguren. Über dem Durchgang in die Chorhalle ein kleines Relief mit der Verkündigungsszene. Der Zyklus kennzeichnet den Sakristeiraum als Ort der Vorbereitung und weist heilsgeschichtlich voraus auf das Skulpturenprogramm im Chor.
Die Annakapelle schließt westl. an die Matthiaskapelle an, ein ebenfalls zweigeschossiger Bau auf unregelmäßig sechseckigem Grundriss. Im Äußeren unterscheidet sie sich deutlich vom früheren benachbarten Bau durch eine reiche Blendengliederung der Pfeiler und Wandflächen sowie durch große vierteilige Maßwerkfenster (1865 erneuert) im Obergeschoss, die z. T. von steilen Kielbögen überfangen werden; stilistisch eng verwandt das Portal zum Kreuzgang (>> ehem. Stiftsgebäude). An den Pfeilern auf spätgotischen Sockeln und zugehörigen Baldachinen ein neugotischer Skulpturenzyklus, Hl. Sippe und Engel, 1870 von Götting. Das urspr. als Eingangsvorhalle an drei Seiten offene Untergeschoss seit 1764 Sakristei, die neugotischen Fenster von 1865; innen wie auch im reich gegliederten Kapellenraum darüber ein sechsteiliges Rippengewölbe. Über der Tür der ehem. Eingangslaube zum Zentralbau eine Madonnenfigur, 2. Dr. 14. Jh. aus Lüttich. Die Durchgänge in beiden Geschossen urspr. zum karolingischen Annexbau.
Die Ungarnkapelle grenzt an den Westbau an der Südwestseite des Umgangs, ein spätbarocker, mit Blaustein verblendeter Backsteinbau auf annähernd quadratischem Grundriss mit abgeschrägten Ecken, gegliedert durch hohen Sockel, gekuppelte ionische Kolossalpilaster, auskragendes Hauptgesims mit niedriger Attika und ungarischem Wappen sowie das achtseitige Haubendach mit einem glockenförmigen Abschluss. Morettis Bau steht damit stilistisch Entwürfen Couvens nahe (vgl. St. Johann Bapt. in >> Aachen-Burtscheid). Der runde Innenraum mit zweigeschossigem Wandaufriss und korinthischer Pilastergliederung; über einem schweren, profilierten Sims erscheint der obere Teil als Tambour der flachen Kuppeldecke. In Wandnischen Stuckfiguren des hl. Adalbert sowie der hl. Könige Ungarns, Stefan, Emerich und Ladislaus, 1769 von Petondi. Die übrigen Stuckaturen (Vorhänge, Wappen, Embleme und Trophäen) 1765/66 von J. Pozzi. Aus Marmor die Eingangswand zum Sechzehneck, 1881 eingebaut.
Die Karls- und Hubertuskapelle an der Nordostseite des Umgangs gegenüber der Annakapelle ein spätgotischer Bau von zwei Geschossen auf unregelmäßig siebenseitigem Grundriss, gegliedert durch gestufte Strebepfeiler und große, im niedrigen Untergeschoss flachbogige Maßwerkfenster; im Obergeschoss an der Nordseite ein polygonal vorkragendes Chörlein. Maßwerk, Fialen und Traufbrüstung im 19./20. Jh. weitgehend erneuert. An der Ostseite ein korbbogiges Portal in übergreifendem Kielbogen, die Figuren darüber um 1870 von Götting. Im Inneren teilt eine von reichem Maßwerk durchbrochene Wand das Untergeschoss in einen Gang, der zum Zentralbau führt, und den Raum der Hubertuskapelle; das unregelmäßige siebenteilige Rippengewölbe mit hängendem Schlussstein (1896 erneuert). Die Karlskapelle im Obergeschoss ein hoher, lichter Raum mit Sterngewölbe, an den Brüstungswänden eine umlaufende Sitzbank und Maßwerkblenden; das Chörlein an der Nordseite mit fünfteiligem Rippengewölbe, dessen Schlussstein das Stiftswappen trägt. Neugotische Gewölbemalerei um 1870 von A. Kleinertz. Die Zugänge vom Zentralbau in beiden Geschossen mit karolingischen >> Bronzetüren, die urspr. in den nördl. Annexbau führten.
Die Nikolaus– und Michaelskapelle an der Nordwestseite des Umgangs grenzt im Westen an die Stiftsgebäude an. Eine spätgotische Emporenkapelle auf unregelmäßigem Grundriss mit asymmetrisch angesetzter Chorapsis; im Untergeschoss urspr. der Nikolausaltar, auf der Empore der Michaelsaltar. Der fast schmucklose Außenbau regelmäßig durch Strebepfeiler und Maßwerkfenster gegliedert; an der Nordseite durch Maueransätze zu erkennen, dass der Bau unvollendet blieb. Ausgeführt eine zweischiffige Halle mit von Pfeilern getragener Empore an drei Seiten und Kreuzrippengewölben, in den Apsiden beider Geschosse unterschiedlich gestaltete Sternnetzgewölbe, die neugotische Rankenmalerei 1872 von F. Wirtz. Das große Nordfenster schließt die unvollendete Nordseite. Das Maßwerk aller Fenster um 1870, die Verglasung um 1950/60 nach Entwürfen von W. Geyer, E. Jansen-Winkeln und F. Kreusch. Die romanischen Durchgänge zum Kreuzgang, zum Zentralbau und in den Treppenturm von einem ebenfalls zweigeschossigen Vorgängerbau; auf dem Tympanon zum Treppenturm die schwach erkennbare Malerei einer spätgotischen Verkündigung. Zahlreiche Grabplatten im Fußboden zeugen von der urspr. Funktion der Kapelle als Grablege der Stiftsgeistlichen.
Ausstattung
Hauptaltar, aus karolingischen Marmorplatten und der Mensa wohl des ehem. Allerheiligenaltars 1951 zusammengesetzt und in der Mitte der Chorhalle aufgestellt, seit 1972 im östl. Joch des Oktogonumgangs an der Stelle, die der Altar des merowingischen Vorgängerbaus und der karolingische Hauptaltar eingenommen hatte. Von diesem stammt das Antependium, die Goldene Altartafel, sog. Pala d’Oro, 17 Reliefs aus getriebenem Goldblech, um 1000/20 wohl nach einer Stiftung Ottos III. entstanden. Holzrahmen und Anordnung der Reliefs von 1951, in drei Reihen zwölf Szenen der Passion Jesu, im Zentrum thront der jugendliche Christus als Weltenrichter mit Kreuzesstab und geöffnetem Buch in einer Mandorla, flankiert von der fürbittenden Maria und dem gegen den Drachen kämpfenden Erzengel Michael, umgeben von den Symbolen der Evangelisten.
Goldener Ambo, Eichenholzkern auf kleeblattförmigem Grundriss, bedeckt mit Goldblech, Bronzearbeiten, Edelsteinen und Elfenbeinreliefs, wohl zwischen 1002 und 1014 entstanden und laut Inschrift von König Heinrich II. gestiftet. Bei Restaurierungen 1815–17 und 1926–39 Teile erneuert oder ergänzt. Die ausschwingende Brüstung und die schmalen Seitenteile in Kassetten aufgeteilt, die Rahmenleisten bis auf eine erneuert. In der Mitte neun Felder; darin in Kreuzform angeordnet fünf wie Edelsteine gefasste Gefäße, je eine antike und neuzeitliche Achatschale, eine fatimidische Bergkristalltasse und der zugehörige Untersatz, jeweils umgeben von vier Schachfiguren aus Achat und Chalzedon (10. Jh.?, z. T. erneuert), im Zentrum eine 1937 eingefügte römische Glasschale; in den Ecken vier getriebene und vergoldete Bronzereliefs mit den vier Evangelisten, original nur Matthäus (oben links), die übrigen 20. Jh. Auf den Seitenteilen jeweils drei große Elfenbeinreliefs, wohl ägyptisch, 6. Jh. Triumphdarstellung eines jagenden Herrschers zu Pferd, Nereiden, Bakchos sowie stehender Krieger, Isis (?), Bakchos. Der Ambo spielte in der Krönungsliturgie bis 1531 eine wichtige Rolle. Urspr. wohl auf massivem Unterbau in der Mitte der Umgangsarkade vor Hauptaltar und karolingischem Chor aufgestellt, 1414 nach Fertigstellung der Chorhalle an deren Südwand auf einer Konsole und Holzsockel über der Sakristeitür versetzt. Die Treppe 1782 erneuert. Das Lesepult auf der Brüstung 1937. – Adlerpult, Bronzeguss, Dinant, M. 15. Jh. (>> Erkelenz, St. Lambertus; >> Düsseldorf, St. Maximilian). Auf dreiseitigem Sockel eine feingliedrige Maßwerkarchitektur, bekrönt von einer Kugel mit dem Adler; im 19. Jh. stark erneuert.
Thron im westl. Emporenjoch, parischer Marmor, Kalkstein, Holz, Aachen, seit der Krönung Ottos I. 936 an dieser Stelle nachgewiesen; nach jüngsten Untersuchungen möglicherweise schon E. 8. Jh. aufgestellt. Sechs Stufen in Analogie zum Thron Salomonis führen hinauf zu einer von vier urspr. freistehenden Steinsäulen getragenen, profilierten Kalksteinplatte mit dem Thronsitz aus weißen Marmorplatten, die von Bronzeklammern zusammengehalten werden. Die A. 19. Jh. abgerundete Lehne urspr. mit trapezförmigem Abschluss. Die mutmaßliche Herkunft der antiken Platten von den heiligen Stätten in Jerusalem verlieh ihnen Reliquiencharakter. Der Kastensitz aus Holz erneuert (originale Bretter im Rheinischen Landesmuseum >> Bonn); ehem. war wohl die Stephansbursa darin verwahrt (heute im Kunsthistorischen Museum Wien). An der Rückseite des Throns seit 1305 der Nicasius-Altar. – Chorgestühl aus Eichenholz, 1782. An beiden Seiten der Chorhalle ein zweireihiges Gestühl.
Sog. Barbarossa-Leuchter, achtseitiger Radleuchter aus graviertem und feuervergoldetem Kupferblech auf einem Eisenreif montiert und mit Tragegestänge an einer schmiedeeisernen Kette in der Kuppel des Oktogons aufgehängt, Aachen, um 1170. Laut umlaufender Inschrift gestiftet von Kaiser Friedrich I. und Kaiserin Beatrix als Abbild des himmlischen Jerusalems (nach Apok. 21) und durch Form und Abmessungen auf die Architektur des Zentralbaus bezogen. Acht bogenförmige, von 48 Kerzen besetzte Seiten bilden die Stadtmauer mit 16 Toren bzw. Türmen ab. Deren Bodenplatten graviert mit acht neutestamentlichen Szenen und acht Seligpreisungen (Matth. 5, 3–10), letzter Rest eines urspr. reichen Bildprogramms, zu dem zahlreiche, um 1800 eingeschmolzene Silberreliefs der Turmwände gehörten. Über dem Leuchter, unter dem Kugelknauf der Kette, eine weitere gravierte Platte mit dem Bild des hl. Michael. Stilistisch stehen die Gravuren in maasländischer Goldschmiedetradition und sind wohl in unmittelbarer Nachfolge des Heribertschreins von Neu-St. Heribert in >> Köln-Deutz, in derselben Kölner Werkstatt wie die Schreine des hl. Maurinus (St. Pantaleon in >> Köln) und des hl. Aetherius (St. Ursula in >> Köln) entstanden.
Strahlenkranzmadonna aus Eichenholz, 1524 von J. van Steffeswert; ehem. wohl eine Rosenkranzmadonna, 1685 mit Wolken- und Strahlenkranz neu montiert und ergänzt, die seither mehrfach veränderte Fassung im Zuge der Restaurierung 1996–98 mit allen Spuren gesichert und vereinheitlicht; am urspr. Ort in der Chorhalle aufgehängt. An der Vorderseite die von Engeln umspielte Madonna auf einer barocken, von einer Schlange umwundenen Mondsichel, gleichermaßen apokalyptisches Weib (Apok. 12), Himmelskönigin (die Krone fehlt) und neue Eva, das Christuskind mit dem Apfel als neuer Adam; an der Rückseite der Wappenengel die Signatur (Jan Bieldesnider), Meisterzeichen und Jahreszahl. Das Kind der rückwärtigen, ehem. dem Choraltar zugewandten Madonna mit Segensgestus und Traube.
Karlsschrein, über dem Eichenholzkern (um 1182 d) in Form einer einschiffigen Kirche vergoldetes Silberblech, teilweise gegossen und graviert, Grubenschmelzplatten und Stanzstreifen, teilweise besetzt mit Edelsteinen, 1215 durch Friedrich II. am Tag seiner Königskrönung wohl symbolisch verschlossen, aber noch nicht vollendet. Zuletzt 1982–88 rest. Stilistisch steht das prachtvolle Reliquiengehäuse in der Tradition rheinisch-maasländischer Schreine und zwischen dem des hl. Servatius in Maastricht (Sint Servaes, Schatzkammer) und dem >> Marienschrein. An den Stirnseiten unter dem segnenden Christus thronend Karl der Große mit einem Modell der Pfalzkirche, flankiert von Papst Leo III. und Erzbischof Turpin von Reims, unter den drei christlichen Tugenden die Gottesmutter zwischen den Erzengeln Michael und Gabriel. An den Längsseiten, ikonographisch einzigartig, unter Rundbögen 16 Amtsnachfolger Karls; auf den Dachflächen je vier getriebene Flachreliefs mit Szenen der im Mittelalter Turpin zugeschriebenen Karlslegende. Auf dem First gegossene Palmettenkämme mit fünf emaillierten Knäufen. Urspr. im Zentrum des Oktogons unter dem >> Barbarossaleuchter aufgestellt und 1414 in die Chorhalle überführt.
Marienschrein, über dem Eichenholzkern (1212 d) in Form einer einschiffigen Kirche mit kurzem Querschiff vergoldetes Silberblech und teilweise emailliertes Kupfer, besetzt mit Edelsteinen und Gemmen, um 1220/38 geschaffen für die vier sog. Großen Heiltümer, die 1239 darin niedergelegt wurden, Windeln und Lendentuch Christi, Gewand Mariens und Grabtuch des Johannes Bapt. Der reiche Aufbau der Schreinarchitektur steht in der Tradition spätromanischer rheinisch-maasländischer Schreine, die kreuzförmige Grundform eine grundlegende Neuerung. Giebel und Dachfirste mit gegossenen Palmetten- bzw. Volutenkämmen besetzt und von sieben Knäufen bekrönt. In Figurennischen an den vier Giebelfronten und den Langseiten silbergetriebene, annähernd vollrund wirkende Sitzfiguren. Im Zentrum der Hauptschauseite die gekrönte Muttergottes, an der Rückseite Karl der Große mit Bügelkrone und Zepter (der Reichsapfel im 19. Jh. entfernt), jeweils flankiert von sechs Aposteln; an den Stirnseiten der gekrönte Christus mit der Weltkugel (Majestas domini) und Papst Leo III. mit kegelförmiger Tiara, Kreuzesstab und Pallium. Auf den Dachflächen jeweils zehn silbergetriebene Reliefs mit neutestamentlichen Szenen (Verkündigung bis Grablegung Christi). Stilistisch lassen sich zwei Gruppen unterscheiden, die Figuren Karls und Leos, verwandter Apostel sowie einige Dachreliefs stehen letzten Arbeiten am Karlsschrein nahe; die bewegteren Figuren Christi und der Madonna sowie Apostel und Reliefs gelten als Werke von jüngerer Hand. Ikonographisch sind Heils- und Reichsgeschichte sowie die Geschichte der Aachener Marienkirche miteinander verbunden.
Pinienzapfen, Bronzeguss ungewisser Entstehungszeit, 1./2. oder 9. Jh.; nach jüngster These E. 10. Jh. mit dem Fuß, dessen Inschriften und den fragmentarisch erhaltenen Figuren der vier Paradiesflüsse entstanden im Auftrag eines nur hier bezeugten Abtes Udalrich. Urspr. ein Brunnenaufsatz mit Wasserauslässen an den Schuppen des Zapfens, der vermutlich den Brunnen im Atrium bekrönte, vergleichbar dem römischen Vorbild im Vorhof von St. Peter (heute im Cortile della Pigna). – Sog. Wölfin, tatsächlich eine sitzende Bärin, spätrömischer Bronzeguss, wohl 2. H. 2. Jh., das linke Vorderbein im 19. Jh. ergänzt; erst seit dem späten Mittelalter nachweisbar und in Analogie zur kapitolinischen Wölfin in Rom interpretiert; die Aufstellung im Atrium nicht gesichert. – Bronzetüren, sog. Wolfstür und drei kleinere Türflügelpaare, Bronzeguss, Aachen, E. 8. Jh.; Reste der Gussformen, Schlacken und Scherben 1911 im Katschhof gefunden. Der Guss der Türflügel in einem Stück im Gegensatz zur Einteilung in Kassetten, schmucklose Felder mit feinteilig ornamentierten Rahmen, deren Profile, Eierstab-, Perlstab- und Blattzungenfriese antike Vorlagen variieren. Nur die Löwenköpfe gesondert gegossen und mit Nieten befestigt. Heute mit grau-brauner Patina, urspr. goldfarben. Die Wolfstür (nach der in nächster Nähe aufgestellten >> sog. Wölfin) im spätbarocken Portaleinbau des Westbaus war urspr. im Eingang von der Vorhalle zum Umgang des Zentralbaus eingesetzt. Die kleinen Türen zur >> Hubertus-, >> Karls- und >> Annakapelle führten ehem. von beiden Geschossen des Umgangs zu den Annexbauten der Pfalzkirche, heute z. T. an urspr. Stelle, das vierte Flügelpaar verloren. – Bronzegitter, Hohl- und Massivguss gleicher Legierung wie die Türflügel, Aachen, E. 8. Jh. Das Gitter vor dem Thron in der westl. Emporenarkade heute fünfteilig mit einer Öffnung in der Mitte, in der östl. Arkade dreiteilig, urspr. wohl umgekehrt; alle übrigen vierteilig, auch ihre Anordnung verändert. Wechselnde Gitterformen und architektonische Gliederung; Pilaster und Gebälk mit Akanthusranken bzw. durchbrochenes Rahmenwerk mit Blatt- und Volutenstauden lassen in unterschiedlicher Weise die Übernahme antiker Vorlagen erkennen.
Domschatz
Die Bedeutung des Doms als Krönungskirche der deutschen Könige begründet auch den außergewöhnlichen Rang des Schatzes. Zahlreiche Stücke wurden für die Krönungszeremonien geschaffen oder stammen von königlichen Stiftern; u. a. 1367 die Stiftungen des ungarischen Königs Ludwig von Anjou für die Ungarische Kapelle (darunter zahlreiche Reliquiare sowie zwei bzw. drei ikonenartige Tafeln mit der französischen Lilie sowie den Wappen Ungarns und Polens, Marienkrönung und Muttergottes, die Malerei im 18. Jh. erneuert). In späterer Zeit kam wertvolles liturgisches Gerät hinzu (u. a. durch das Domkapitel; zahlreichen Objekte wie jene des Goldschmieds Hans von Reutlingen können keiner Herrscherstiftung zugewiesen werden). Mehrfach wurde der Schatz ausgelagert, so während des Dreißigjährigen Krieges, 1794–1802 während der Besetzung des Rheinlandes durch französische Revolutionstruppen und während des I. und II. WK, und blieb auf diese Weise fast vollständig erhalten; 1798 die Reichskleinodien nach Wien überführt (Krönungsevangeliar, Stephansbursa und Säbel Karls des Großen, heute in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums), 1804 Reliquien Karls des Großen an Kaiserin Josephine geschenkt (der sog. Talisman und das staufische Armreliquiar, heute im Louvre, Paris).
Lotharkreuz, Vortragekreuz, Gold- und vergoldetes Silberblech über erneuertem Holzkern, um 980, wohl aus derselben Kölner Werkstatt wie das sog. ältere Mathildenkreuz im Schatz des >> Essener Doms. Die Vorderseite reich besetzt mit Filigranen, Perlen und Steinen, nach Restaurierungen im 19. und 20. Jh. die urspr. Farbigkeit verfälscht. Vom originalen Bestand im Zentrum der antike Sardonyx-Kameo mit Bildnis des lorbeerbekränzten Kaisers Augustus; am Kreuzstamm ein in Bergkristall geschnittener Siegelstempel des Karolingers König Lothar II. (855–69), der dem Kreuz den Namen gab. Nach überzeugender Deutung wird der Stempel als das an dieser Stelle übliche Stifterbildnis auf den der karolingischen Dynastie entstammenden König Lothar von Frankreich († 986) bezogen und die gängige Annahme einer Stiftung durch Otto III. um das Jahr 1000 zurückgewiesen. Auf der gravierten Rückseite eine der frühesten Darstellungen des toten Christus am Kreuz, zu Seiten Sonne und Mond, darüber die Hand Gottes mit Siegeslorbeer und Taube; am Kreuzesfuß die Schlange. Der Sockel Silber vergoldet, Aachen oder Köln, 3. V. 14. Jh.
Elfenbeinsitula, achtseitiger, aus einem Stoßzahn geschnitzter Weihwassereimer, dessen Außenseiten in drei reliefierte Bildzonen unterteilt sind, lothringisch oder mittelrheinisch, um 1000 oder 1. Dr. 11. Jh. In der unteren Zone acht von Kriegern bewachte Stadttore. In der zweiten Zone zwischen von Vorhängen umwundenen Säulen drei thronende Figuren in einem Innenraum, der Apostel Petrus zwischen einem Papst (mit Pallium) und einem Kaiser (mit Zepter, Reichsapfel und Bügelkrone); ferner stehend zwei Erzbischöfe (mit Pallium), zwei Bischöfe und ein Abt. Abschluss durch einen schmalen Jagdfries, unterbrochen von zwei großen maskenhaften Köpfen, an denen der urspr. Henkel befestigt war; der heutige von 1863. Zwischen den Bildzonen mit Edelsteinen besetzte vergoldete Kupferbänder aus dem 16.–18. Jh. – Büstenaquamanile, Bronzehohlguss vergoldet, die Augen in Silber eingelegt, Aachen, wohl um 1215. Die Büste diente als Gießgefäß zum Waschen der Hände während der hl. Messe. Typologisch steht sie in Nachfolge antiker Herrscherbüsten und wird stilistisch dem Umkreis der späten Figuren des Karlsschreins zugeordnet.
Anastasiusreliquiar, urspr. Räuchergefäß in Form eines würfelförmigen Zentralbaus mit Faltkuppel und Apsis, Silber getrieben, z. T. vergoldet und nielliert, um 1000 in Antiochien wohl vom Prokonsul Eustateios gestiftet. Nachträglich darin das Haupt des persischen Märtyrers Anastasius gebettet; in der Folge bedeutsam für die Entwicklung der romanischen Kuppelreliquiare. – Muttergottes, Silber getrieben, teilvergoldet, Aachen, um 1280. Die monumental wirkende Standmadonna von ca. 80 cm Höhe steht in der Tradition maasländischer Goldschmiedekunst, stilistisch in Nachfolge französischer bzw. Trierer Großskulptur der M. 13. Jh. Im Rücken ein Reliquiendepositorium. – Simeonsreliquiar, Silber vergoldet mit Edelsteinen, Emails und Steinschnitten, Aachen, um 1330/40. Sog. sprechendes Reliquiar mit szenischer Darstellung der Darbringung Christi im Tempel. Auf einer Sockelplatte mit Klauenfüßen die Figuren Marias mit den Tauben und Simeons mit dem Christuskind an den Schmalseiten des Altars. Als Altartisch dient ein wohl älteres Kästchen, das eine Armreliquie des Hohepriesters enthält. Die vasenförmige Phiole aus Achat auf dem Tisch wohl byzantinischen Ursprungs. – Scheibenreliquiar, Silber vergoldet mit Perlen, Edelsteinen und Emails, um 1340/50. Auf einer Bodenplatte mit Klauenfüßen das auf einem Sockel stehende Scheibenkreuz. An der Vorderseite in fünf Bergkristallkapseln Passionsreliquien, im Zentrum eine seit dem 9. Jh. bezeugte Schwammreliquie; in den Kreuzeszwickeln transluzide Emails mit Passionsszenen, die wenig älteren Pariser Arbeiten nahe stehen. An der schlichteren Rückseite die getriebene Darstellung des Lebensbaums mit dem Lamm Gottes in der Mitte sowie den Evangelistensymbolen. Am Sockel Darstellung der Justitia, eine wiederverwendete rheinisch-maasländische Grubenschmelzplatte des 12. Jh. Die seitlich stehenden Engel urspr. Gießgefäße, 2. H. 14. Jh., nachträglich hinzugefügt. – Büstenreliquiar Karls des Großen, Silber getrieben, teilvergoldet sowie mit Edelsteinen, Gemmen und Adlerappliken aus Silber reich besetzt, nach 1349 in einer Aachener Werkstatt vermutlich infolge einer Schenkung Karls IV. entstanden (sog. Krönungsgeschenk). Reliquie ist die hier verwahrte Schädelkalotte Karls des Großen. Das idealisierte Bildnis des Kaisers in stilistischer Nachfolge französischer Herrscherdarstellungen der 2. H. 13. Jh. Die vorzüglich gearbeitete Lilienkrone kurz vor 1349 in einer Prager Werkstatt gefertigt, für die Aachener Krönung Karls IV. erstmals genutzt und später der Büste aufgesetzt; der Bügel zur Angleichung an die Kaiserkrone nachträglich, 1442 erstmals beschrieben. Achtseitiger Untersatz aus Holz mit Metallverkleidung; die französischen Lilien deuten auf eine Stiftung des ungarischen Königs Ludwig von Anjou um 1367. Die seitlichen Löcher für Tragestangen, auf denen die Büste Karls zum Empfang eines zu krönenden neuen Herrschers getragen wurde. – Sog. Karlsreliquiar, Kapellenreliquiar aus Silber getrieben, gegossen und vergoldet mit Perlen, Edelsteinen und Emails, 3. V. 14. Jh. Wohl in engem Zusammenhang mit dem Reliquienkult Karls IV. entstanden. Typus und Aufbau verwandt südfranzösischen und italienischen Grabmonumenten des 14. Jh. Auf einer von acht Löwen getragenen Bodenplatte Standfiguren (Engel, Papst Leo III., Bischof Turpin von Reims, die Paladine Karls des Großen Roland und Oliver) neben Säulen, die einen Reliquienkasten tragen, darin die von Engeln gehaltene Beinreliquie Karls. Weitere Reliquien in der Baldachinarchitektur darüber mit den Figuren Karls des Großen und der hl. Katharina zu Seiten der Madonna sowie in drei bekrönenden Tabernakeln mit Christus und zwei Engeln. – Dreiturmreliquiar, Kapellenreliquiar aus Silber getrieben, gegossen und vergoldet mit Edelsteinen und Emails, um 1370/90 aus einer Aachener Werkstatt; die Bodenplatte neugotisch. Die filigrane Tabernakelarchitektur verbindet gotische Architekturphantasie mit virtuoser Goldschmiedekunst; wohl als Gegenstück zum >> Karlsreliquiar und wie jenes als ein Abbild des himmlischen Jerusalems konzipiert. Drei nebeneinanderstehende Türme von quadratischem Grundriss, im reichen Maßwerk Bergkristallzylinder mit Reliquien; unter der Arkade des höheren Mittelturms Standfigur Christi unter dem Lamm Gottes auf dem Gewölbeschluss, flankiert in den seitlichen Türmen von Johannes Bapt. und dem knienden Stifter im Gewand eines Subdiakons. Emails in Sockel und Fialen mit neutestamentlichen Szenen sowie Darstellungen von Propheten, Aposteln, Märtyrern und Jungfrauen. – Drei kleine Heiltümer, Gürtel Mariens, Gürtel Christi, Geißelstrick, jeweils in einem Schaugefäß aus Bergkristall, in kunstvoller kelchförmiger Fassung aus vergoldetem Silber, getrieben und gegossen, und mit Edelsteinen besetzt, zwischen 1360 und 1380 wohl in einer Prager Werkstatt entstanden. – Armreliquiar Karls des Großen, Silber vergoldet, 1481 von Ludwig XI. von Frankreich gestiftet, wohl aus einer Lyoner Werkstatt. Sog. sprechendes Reliquiar des rechten Unterarms, des Schwur- und Schwertarms. – Figur des hl. Petrus, Silber, z. T. vergoldet, um 1510, Meistermarke des Hans von Reutlingen und Aachener Beschau. In der rechten Hand ein Eisenglied der Kette, mit der der Apostel in Rom gefesselt worden war; im Sockel weitere, nicht identifizierte Reliquien. – Reliquiar in Form einer Monstranz, Silber getrieben, gegossen und vergoldet, um 1515 mit Meisterzeichen des Hans von Reutlingen und Aachener Beschau; im Zentrum zwei Medaillons mit Auferstehung Christi und Lamm Gottes, Silber getrieben, gegossen, vergoldet und graviert, italienische Arbeiten, 1432 durch Papst Eugen IV. gestiftet. Darüber das eigentliche Behältnis mit Kreuzpartikel. – Monstranz, Silber getrieben, gegossen und vergoldet, mit Meisterzeichen des Hans von Reutlingen und Aachener Beschau; angeblich Krönungsgeschenk Karls V.1520. Folgt noch dem Typus einer gotischen Turmmonstranz, anstelle des Schaugefäßes ein barocker Strahlenkranz, Edelsteinbesatz z. T. 1842. Im umgebenden Rankenwerk und in architektonischen Details werden spätgotische in Renaissanceformen überführt.
Passionsaltar (Aachener Altar), Triptychon, Öl auf Eichenholz, um 1515/20 vom sog. Meister des Aachener Altars, gestiftet für den Kreuzaltar der Kölner Karmeliterkirche vom Provinzial des Klosters Theodoricus de Gouda († 1539); 1872 für das Aachener Münster erworben. Geöffnet zeigen Flügelinnenseiten und die Mitteltafel Szenen der Passion, im Zentrum der Kalvarienberg mit dem knienden Stifter; auf den Flügelaußenseiten jeweils drei Heilige, Antonius von Ungarn, Barbara, Sebastian, sowie Laurentius, Katharina, Angelus.
Sog. Schatzkammer-Evangeliar, Aachen, A. 9. Jh.; Teil der urspr. liturgischen Ausstattung der Pfalzkapelle. Einspaltig geschrieben in karolingischer Minuskel, Titel und Überschriften in Großbuchstaben (Capitalis rustica). Den vier Evangelien Kanontafeln in Architekturrahmung nach Vorlage aus der Zeit um 400 vorangestellt sowie eine einzigartige ganzseitige Miniatur, die alle vier Evangelisten an Schreibpulten in einer Landschaft zeigt; der wohl aus Italien stammende Maler von spätantiker Malerei beeinflusst; verwandt das gleichzeitige Krönungsevangeliar. – Elfenbeindiptychon, Aachen, Hofschule, A. 9. Jh., urspr. wohl der Einband eines 812 entstandenen Sakramentars in Cambrai, im 14. Jh. für ein Intonationsbuch wiederverwendet und von Silberrahmen eingefasst. Die sechs Szenen der Erscheinung Christi nach der Auferstehung (Lk. 24, Joh. 20 und 21) wohl nach spätantiken Vorlagen. – Evangeliar, Reichenau, kurz vor 1000, von Kaiser Otto III. vermutlich aus Anlass der Gründung des Königskanonikats im Jahr 1000 dem Krönungsstift geschenkt. Einspaltig geschrieben in karolingischer Minuskel, Titel und Überschriften in goldenen Großbuchstaben, ergänzt um Miniaturen nach spätantiken, mittelbyzantinischen und Trierer Vorlagen (vier Evangelistenbilder, vier Initialseiten, 21 z. T. in zwei Zonen bemalte Seiten mit Szenen aus dem Leben Christi) zusammengestellt. Auf dem doppelseitigen Widmungsbild links der Mönch Liuthar, der das Buch übergibt, rechts die Apotheose des Kaisers. – Goldener Buchdeckel, westdeutsch, A. 11. Jh., wohl in derselben Werkstatt wie die goldene >> Altartafel und im Rahmen derselben kaiserlichen Stiftung entstanden; bis 1972 Vorderdeckel des >> Schatzkammer-Evangeliars. Eingefasst von Edelsteinborten mit Filigranen, ist die Fläche durch mit Edelsteinen und Zellenschmelze besetzte Stege in Form eines Kreuzes aufgeteilt. In dessen Zentrum eine große byzantinische Elfenbeintafel des 10. Jh. mit der Halbfigur einer Madonna vom Typus der Hodegetria. In goldgetriebenen Flachreliefs seitlich um den Kreuzbalken die Evangelistensymbole, darüber und darunter Geburt und Kreuzigung Christi, die Frauen am leeren Grab und Himmelfahrt Christi. – Silberner Buchdeckel, um 1170/80, oberrheinisch, als Gegenstück des ottonischen Buchdeckels bis 1870 an der Rückseite des >> Schatzkammer-Evangeliars, seitdem als Frontale auf dem ottonischen >> Evangeliar. Umgeben von silbergetriebenen Reliefs, oben und unten je zwei Evangelisten, seitlich jeweils ein Erzengel, im Zentrum zwei schmale byzantinische Elfenbeintafeln des 10. Jh. mit den hll. Johannes Ev. und Theodor bzw. Johannes Bapt. und Georg; urspr. Flügel eines kleinen Triptychons, in dessen Zentrum die Tafel der Hodegetria aus dem >> Goldenen Buchdeckel stand.
Zu den in großer Zahl in der Schatzkammer verwahrten Stoffen gehören neben den textilen Reliquien im >> Marienschrein vor allem die ehem. Reliquien bergenden Seidenstoffe des 6.–10. Jh. meist byzantinischer oder orientalischer Herkunft. Quadrigastoff, Seide, Byzanz, 6.–8. Jh. Ehem. Teil der Leichentücher Karls des Großen. – Greifenstoff, Seide, Lucca oder Venedig, A. 14. Jh. Ehem. angeblich von Karl IV. im Karlsschrein niedergelegt. – Blaue Kasel, sog. Bernhardskasel, der dunkelblaue Grundstoff im 18. Jh. erneuert, die Perlenstickerei, Palmetten- und gegenständige Blattranken, 2. H. 12. Jh. – Krönungsmantel, sog. Cappa Leonis, M. 14. Jh., wohl bei den Krönungen Karls IV. 1349, Sigismunds 1414 und sicherlich Karls V. 1520 benutzt. Dunkelroter Seidensamt, Italien, 14. Jh., gemustert mit goldgestickten Quadraten und mit silbervergoldeten Rosetten besetzt; Randborte 14. Jh., Köln, besetzt mit Silberglöckchen und bestickt mit Sternen und Propheten; das Seidenfutter um 1414, Italien.
Olifant, sog. Jagdhorn Karls des Großen, Elfenbein, sarazenische Arbeit, wohl um 1000 aus Unteritalien. Sechzehnfach facettierte Spitze eines Stoßzahns, die umlaufenden Streifen mit Spiralranken, an der Öffnung mit Tierszenen. Edelsteinbesetzte Metallbeschläge 19. Jh., der Riemen Genueser Samt, 17. Jh., mit Schriftbesatz und Beschlägen eines Gürtels, E. 14. Jh. – Zepter, ein glatter Stab mit Wulst und bekrönender Taube, Silber vergoldet, England, um 1220; gilt als Zepter Richards von Cornwall, das 1262 an das Marienstift geschenkt wurde. – Krone der Margarete von York, Silber vergoldet, wohl 1461 anlässlich der Krönung Edwards VI. zum englischen König in England entstanden. Am Reif Perlenreihen sowie hier und an den Zacken aus Email mit Edelsteinen besetzte weiße Rosen des Hauses York. 1468 zur Eheschließung mit Karl dem Kühnen von Burgund das burgundische Wappen an der Rückseite angebracht. 1474 dem Aachener Gnadenbild gestiftet; der Deckel des Lederfutterals geprägt mit den Wappen von England und Burgund.
Proserpina-Sarkophag, Carrara-Marmor, Rom, spätes 2. Jh.; heute ohne Deckel. In dem wohl auf Veranlassung Karls des Großen nach Aachen überführten Sarkophag war dieser vermutlich von 814 bis zur Erhebung seiner Gebeine 1165 an einem bislang nicht lokalisierten Ort in der Pfalzkapelle bestattet. In stark bewegtem Relief die Darstellung des Raubes der Proserpina und ihre Entführung in die Unterwelt. Der heidnisch-antike Mythos wurde wohl allegorisch auf Tod und Wiederkehr des Herrschers bezogen.