BAD MÜNSTEREIFEL / Kath. Pfarrkirche SS. Chrysanthus und Daria
Kath. Pfarrkirche SS. Chrysanthus und
Daria, ehem.
Benediktiner-Stiftskirche (
Kirchplatz 1
): Dreischiffige Gewölbebasilika des 12. Jh. mit über
fünfschiffiger Krypta erhöhtem, von einer Halbkreisapsis abgeschlossenem
Langchor, der von flach geschlossenen Chornebenräumen begleitet ist; das
dreitürmige Westwerk im Kern aus dem 11. Jh. Ehem. Kirche eines Stifts, das
um 830 von Abt Markward von
Prüm als Cella der Benediktiner gegr. worden war.
Kirchenpatron urspr. der hl. Petrus, Patroziniumswechsel nach Erwerb der
Gebeine des römischen Märtyrerpaares Chrysanthus und Daria 844. Das
Kollegiatsstift bestand vielleicht von Anfang an, jedenfalls aber seit dem
12. Jh. Die Pfarre war dem Stift inkorporiert. Dieses 1802 aufgehoben, die Stiftsgebäude
abgerissen, die Kirche 1808 der Pfarre überwiesen.
Baugeschichte
Durch Ausgrabung zwei Saalkirchen und ein wohl nach
844 errichteter dreischiffiger Bau mit Konfessio unter dem Chor
nachgewiesen. Um 1050 das Westwerk
angefügt. Nach Brand um 1100 der bestehende
Bau errichtet. Im ersten Jahrzehnt des 12. Jh. das Westwerk in alten Formen
wiederhergestellt und das Langhaus durch die bestehende, anfangs mit flacher
Decke und mit Umgangskrypta versehene Basilika ersetzt, deren
Mittelschiffsbreite durch den karolingischen Vorgängerbau bestimmt ist.
Um 1140/50 Einwölbung des gesamten
Baus mit Kreuzgratgewölben ohne Gurte und Umbau der Umgangskrypta zur
bestehenden fünfschiffigen Anlage. Systematische Restaurierung seit 1874 durch H. Wiethase. 1914/15 der Putz am Außenbau abgeschlagen und
seither nicht wieder aufgebracht. Die durch schlechten Baugrund (Fließsand)
und Gewölbeschub verursachten Schäden machten umfassende statische
Sicherungsarbeiten nötig; bei Restaurierung 1963–70 Neuverputz und Anstrich innen sowie Verlegung eines
Tonfliesenbodens. Bei Restaurierung 1985–90 neue Gewölbe über Mittelschiff und Langchor eingeführt
und Obergaden erhöht sowie die über den Gewölben erhaltene romanische
Balkenlage der urspr. Flachdecke und des darauf stehenden Dachstuhls aus dem
19. Jh. angehoben.
Baubeschreibung
Im Grundriss eine dreischiffige Basilika von drei Jochen im gebundenen System
mit zweijochigem Chor und abschließender Halbkreisapsis; die flach
geschlossenen Chornebenräume ohne Wölbung. Das Westwerk entsprechend dem
Langhaus mit annähernd quadratischem Mitteljoch und je zwei Jochen in den
Abseiten sowie einer tiefen Vorhalle von der Breite des Mitteljochs und
runden Treppentürmen in den Winkeln. Das Material Eifelsandstein und
Grauwackebruchstein, Quellenkalk und Kalksinter, erneuerte Dachdeckung mit
Walzblei. Die nach Nord-Nordost gerichtete Kirche wird, um Missverständnisse
zu vermeiden, als geostet beschrieben.
Außen: Der mächtige, die gesamte Baumasse beherrschende Westbau wiederholt
verkleinert das Westwerk von St. Pantaleon in >> Köln. Quadratischer
Mittelturm, dessen Glockengeschoss sich nach jeder Seite in zwei doppelten
Klangarkaden öffnet. Die drei Kreuzflügel durch Emporen unterteilt und
übergiebelt, der westl. im Erdgeschoss als tonnengewölbte Vorhalle geöffnet
und von zwei schlanken Treppentürmen flankiert. Der südl.
Flankenturm
1584,
der nördl.
1875
erneuert, die Stirnseiten der Kreuzflügel im 19. Jh. neu gestaltet. Das
rundbogige Westportal von
1140–50,
die Schäfte der eingestellten Säulen aus Kalksinter. Seitlich davon romanische
Relieffragmente mit Chrysanthus und Daria, urspr. vom
Friedhofstor der >> Stiftsimmunität. Mittelschiff und Langchor gehen
absatzlos ineinander über und haben ein gemeinsames Satteldach. Im Obergaden
romanische Rundbogenfenster und je drei rundbogige Fensterpaare des 19. Jh.
anstelle von Barockfenstern. Seitenschiffe und Chornebenräume unter
gemeinsamen Pultdächern, an der Nordseite zwei vermauerte romanische
Kreuzgangportale, an der Südseite ein spätgotisches Portal mit Vorhalle. Die
Chorpartie mit niedriger Halbkreisapsis; Kreisfenster der Krypta nach Befund
erneuert.
Innen: Der kreuzgratgewölbte Mittelraum des Westwerks, der urspr. bis zur
Flachdecke unter dem Glockengeschoss reichte, öffnet sich in großem
Rundbogen zum Mittelschiff. Die Querflügel sind in jedem Geschoss in zwei
Rundbogenarkaden zum Mittelraum geöffnet, im Emporenraum des Westflügels
eine Dreibogenstellung des 19. Jh. Zum Baubestand des 11. Jh. die
Kreuzgratgewölbe zwischen Gurten im Erdgeschoss und die östl. Altarnischen
auf den Emporen; auf der Südempore die romanische Altarmensa und der Rest
einer Inschrift, die sich auf die Wiederweihe dieses Altars im 12. Jh.
bezieht. Der Mittelraum zur Hälfte eingenommen durch die gemauerte
Orgelbühne von 1722. Im Langhaus zwischen den Schiffen rundbogige Arkaden
auf Vierkantpfeilern, über deren Kämpfersimsen Reste rundbogiger Nischen.
Die im Mittelschiff auf rechteckigen Vorlagen und im Chor auf
Kalksintersäulen ansetzenden Kreuzgratgewölbe ohne Gurte von 1985–90 mit
höherem Scheitel als die stark gedrückten Gewölbe des 12. Jh. In das östl.
Mittelschiffsjoch ragt der zur Krypta gehörende Grabraum als Podest hinein
und ist durch ein schmiedeeisernes
Gitter, um
1700, zwischen den seitlichen Chortreppen geöffnet. Im Langchor
drei Eingänge zu den urspr. tonnengewölbten Chornebenräumen, zwei mit
spätgotischen Eisentüren; in der Chornordwand eine Beichtröhre. In der Apsis
Blendbogenstellung auf Kalksintersäulen mit Korbkapitellen und abschließende
Kalotte A. 12. Jh.; im Fußboden Reste eines
Plattenmosaiks
des 12. Jh., aus Marmor und Porphyr zu drei Feldern
zusammengelegt. Vor dem Apsisbogen eine Sichtöffnung zum Altar in der
Krypta. Zugänge zur Krypta in den östl. Seitenschiffsjochen. – Die Krypta
eine fünfschiffige Anlage, von der urspr. Umgangskrypta Umgang und
Dreiapsidenschluss mit Kreuzgratgewölben über absatzlos in die Vorlagen
übergehenden Gurten; die dreiteilige Hauptapsis tritt halbrund vor, die
Nebenapsiden sind rechteckig ummantelt. Das urspr. anschließende Schiff mit
Grabkammer im Westen M. 12. Jh. zur erhaltenen Anlage erweitert, die drei
inneren, untereinander und mit dem Umgang durch rundbogige Öffnungen
verbundenen Schiffe und der anschließende dreiteilige Grabraum der
Kirchenpatrone tonnengewölbt. Dessen Gestaltung mit Marmorrahmen und
schmiedeeisernen Gittern vor dem Eingang, den seitlichen Sichtöffnungen und
der Öffnung zur Oberkirche von 1698. – Reste romanischer und gotischer
Wandmalereien bei Restaurierung 1963–70 freigelegt. In der Apsis des
Hauptchors Teile eines Zyklus aus der Zeit um 1110, in der
Laibung des Mittelfensters Melchisedech und Aaron, in der oberen Hälfte der
Südwand David und drei Begleiter, musizierend. Vom zugehörigen Bildfeld auf
der Stirnwand des Apsisbogens stammt der den Bogen begleitende
Firmamentstreifen; Fragmente über dem nachträglichen Chorgewölbe wurden
abgenommen, rest. und 1995 auf der Empore des Westwerks angebracht:
Siegelöffnung durch den Lamm/Löwen (Apok. 5) nach Vorbild zweizoniger
Apokalypsebilder in touronischen Bibeln. In der Apsis neben dem
Sakramentshaus zwei gotische Malschichten übereinander;
Fragmente
einer Marienkrönung über Vorhangmotiv, A. 15. Jh.;
zwei adorierende Engel, die zusammen mit dem
Sakramentshaus
1480 entstanden sind. Auf der Südwand der Apsis unter dem
romanischen Davidbild ein spätgotischer
Bildstreifen,
um 1470, mit den vier Kirchenvätern, der ehem. als gemaltes
Dorsale für den hier aufgestellten >> Dreisitz gedient hat.
Ausstattung
Hochaltar mit gemauertem Altarblock, 1. Jahrzehnt des
11. Jh., mit Deckplatte aus Kalksinter eines Beckens der
römischen Wasserleitung nach Köln und Bonn, in dem sich die verfugte Wand
des Römerkanals abgedrückt hat.
Aufsatz,
1905–12 von W. Moers, Silber und Messing vergoldet. In Form eines
Reliquienschreins nach Vorbild spätromanischer Schreine in Köln und Aachen.
Das reich geschnitzte
Antependium
vom ehem. Kreuzaltar, um 1700 vom
Scholaster Wery gestiftet; neu gefasst. Das gotische
Hochaltarretabel heute in Kirchsahr. – Turmförmiges
Sakramentshaus, laut Inschrift 1480 von dem Kanoniker Friedrich Rohr
gestiftet. Über Sockelpfeiler mit Stifterfigur (Kopf erneuert)
Rechteckgehäuse mit den Figuren der Kirchenpatrone und ein dreiseitig
vorkragender, reich gegliederter Turmbaldachin nach Vorbild des
Sakramentshauses in Münstermaifeld (Rheinland-Pfalz). –
Taufe, laut Inschrift 1619
von Bürgermeister Reiner Froitzem gestiftet. Becken aus
schwarzem Marmor mit reich geschnitztem vergoldetem Holzdeckel, der an
drehbarem schmiedeeisernem Wandarm aufgehängt ist. – Als
Weihwasserbecken wiederverwendet der Rest eines runden
Taufsteins aus Blaustein, angeblich A. 14. Jh., mit noch zwei
fast vollplastischen Köpfen. –
Dreisitz,
14. Jh., mit Drolerien an den Handknäufen und in den Voluten
der hohen Seitenwangen; A. 16. Jh. das geschnitzte Dorsale und zugleich der
darüber wie ein Baldachin angebrachte geschnitzte Reliquienkasten, der die
Häupter der Kirchenpatrone barg. Bis 1970 im südl. Wandfeld der Apsis
aufgestellt. – Kleines gemaltes
Triptychon, um
1470 aus dem Umkreis des Meisters des
Marienlebens, wahrscheinlich von derselben Hand wie der
Kreuzigungsaltar in Sinzig. Auf der Mitteltafel Darstellung der Beweinung
Christi, der Kirchenpatrone auf den Flügelinnen- und der Nebenpatrone Petrus
und Paulus auf den Flügelaußenseiten. – Im Chor
acht
Leinwandgemälde mit Szenen aus dem
Leben der hll. Chrysanthus und Daria, um 1720 zusammen mit
einem neuen Aufsatz für den Hochaltar angeschafft, von dem das Altarblatt
mit Darstellung des Martyriums (im Nordseitenschiff) und die lebensgroßen
Standfiguren der Kirchenpatrone (s. u.) erhalten sind; die Neuausstattung
des Chors gestiftet von Scholaster Wery. –
Holzskulpturen:
Kreuztragender Christus aus einem Heiligenhäuschen, Mittelrhein, 1. H.
15. Jh.; Fassung 19. Jh. – Über dem Zelebrationsaltar
Kruzifixus auf zugehörigem Kreuz, Köln, um
1500; gotische Zweitfassung. – Kleines
Standfigürchen der Muttergottes, A. 17. Jh.
wohl unter süddeutschem Einfluss, mit Resten alter Goldfassung; die
Engelskonsole nicht zugehörig. –
Standfigur des hl.
Franziskus, 2. H. 17. Jh., Umkreis des in Köln tätigen
J. Geisselbrunn; mit Ergänzungen,
Fassung verloren. –
Hll.
Petrus und Paulus, lebensgroße voluminöse
Standfiguren der Nebenpatrone der Stiftskirche,
2. H. 17. Jh., wohl unter Einfluss von J. Geisselbrunn. –
Hll. Chrysanthus und
Daria von dem um 1720 angeschafften Hochaltar,
lebensgroße Standfiguren, die in Typus und Stil an die niederländisch
beeinflusste Kölner Plastik des beginnenden 18. Jh. anknüpfen. Die
vorzüglich erhaltene Goldfassung aller vier Figuren an Barockskulpturen im
Rheinland einzigartig. –
Grabmal
Gottfried von Bergheim († 1335), ab 1323 Burgherr in
Münstereifel, Bruder des Markgrafen Wilhelm von Jülich. Sandsteintumba mit
Gisant, um 1340, urspr. wohl in der Mitte der Kirche, seit 1970
im Mittelraum des Westwerks. Die Liegefigur des Verstorbenen in halbstarrem
Plattenpanzer unter Baldachin, Löwe zu Füßen, in seitlichen Nischenstreifen
Prophetenfigürchen. In der Blendarkatur Standfiguren der Trauernden und ein
Bischof, die Totenmesse lesend. Der Typus aus der französischen Grabmalkunst
stammend, motivische und stilistische Übereinstimmungen mit dem Einzelgrab
des Landgrafen Otto in der Marburger Elisabethkirche. –
Epitaphe:
Vier Hänge-Epitaphe aus schwarzem und weißem Marmor mit
plastischem Schmuck aus Alabaster, im Floris-Stil,
E. 16./A. 17. Jh.
Zwei große Epitaphe im westl. Mittelschiffsjoch jeweils mit
Monogramm des Kölner Bildhauers HK unter
der Hängekonsole, im Hauptgeschoss Figur des Verstorbenen vor Kruzifixus, so
an der Nordwand von 1587 für Amtmann Johann Wilhelm
Gertzen genannt Sinzich, mit Relief der Kreuzesvision des hl.
Hubertus (nach Dürers Eustachius-Stich)
zwischen Figuren der Kirchenpatrone im Aufsatz; an der Südwand von
1600 für Amtswalter Johann Salentin Gertzen
genannt Sinzich, mit Relief der Wächter am Grabe und
bekrönender Freifigur des Auferstandenen.
Zwei kleinere
Epitaphe
für Kanoniker des Stiftskapitels im östl.
Mittelschiffsjoch, um 1600 wohl auch in Köln gearbeitet, eines
mit Relief der Bekehrung Pauli und seitlich knienden Kanonikern, das andere
mit der Geburt Christi, in die ein kniender Kanoniker einbezogen ist.
In der Krypta im Grabraum ein hausförmiges
spätgotisches
Schreingehäuse, wohl für einen
verlorenen Silberschrein gefertigt, in dem die Leiber der Kirchenpatrone
1505 aus ihrem urspr. steinernen Sarkophag auf den Konfessionsaltar in der
Oberkirche erhoben worden waren. Ein mit Eisen beschlagenes Holzgerüst mit
Resten einer Bemalung in Mennigerot, verschlossen durch schmiedeeiserne
Durchsteckgitter. In der vorderen Giebelseite eine zweiflügelige Eisentür;
auf deren Außenseiten Reste der gemalten Figuren der hll. Chrysanthus und
Daria, auf den Innenseiten im 19. Jh. wiederholt. Der Reliquienschrein, ein
provinziell geschnitzter truhenförmiger Kasten, aus der Zeit der
Neugestaltung des Grabraumes 1698 nach Rückkehr der wegen Kriegswirren
mehrfach in Sicherheit gebrachten Leiber der Kirchenpatrone. – In der
Hauptapsis auf dem Gnadenaltar im Aufsatz aus dem 19. Jh. das
Mariengnadenbild, eine feine Standfigur der Muttergottes,
Köln, um 1320/30. Nussbaum, Fassung verloren,
Reliquiensepulcrum im Kopf. In Typus und Stil Anklänge an die Pariser
Hofkunst; eine farbig gefasste Kopie in der Oberkirche in einer
schmiedeeisernen Leuchterkrone. Das Ostjoch durch schmiedeeisernes Gitter
des frühen 18. Jh. abgeschrankt. – In der südl. Nebenapsis
Vesperbild aus Holz, wohl aus dem Rheinland, um
1350; originale Farbfassung mit Schmuckborten in Prägetechnik.
Gehört zur Gruppe von Vesperbildern mit schräg liegendem riesigen Leichnam
Christi, als deren Prototyp die Pietà Röttgen (Rheinisches Landesmuseum in
>> Bonn) gilt. – Auf der Nordseite kelchförmiger
Taufstein, um 1400.