BRAUNSCHWEIG / Ev. Katharinen-Kirche

Ev. Katharinen-Kirche, Pfarrkirche des Stadtteils Hagen. 1227 erhielten die Bürger vom Herzog das Recht, ihren Pfarrer selber zu wählen. - Dreischiffige, siebenjochige Hallenkirche mit zweitürmigem Westriegel, 7/10-Chorpolygon und geradem Ostschluß der Seitenschiffe.
Baugeschichte. Gründungsbau in engem Anschluß an den „Dom“ und die Martinikirche. Im gebundenen System gewölbte Pfeilerbasilika zu 4 Doppeljochen, Querhaus mit Nebenapsiden, apsidial geschlossenes Chorjoch. 1200/05 den Ostteilen begonnen; 1230/40 Untergeschoß des Westbaus und das Langhaus; kurz vor M. 13. Jh. zweites Westbaugeschoß. Die urspr. Seitenschiffe und Apsiden 1887/90 ergraben. – 2. Hallenkirche. Ein Ablaß von 1252 erwähnt ein aufwendiges Bauvorhaben. Ausführung der Hallenseitenschiffe erst 4. V. 13.JI1., stilkritische Datierung durch mehrere Altarweihen zu bestätigen. Bis um 1320 Chorerweiterung (Hochaltarweihe 1321), die 7/10 -Apsis wohl nachträglich, jedoch noch vor M. 14. Jh. Die schon zu Beginn des Hallenumbaus vorgesehene Verlängerung der Seitenschiffe über das Querhaus hinaus im späten 14. Jh. ausgeführt (Altarweihen 1383 und 1401). Ausbau der Westanlage mit Vollendung des Südturms 1379 beendet. - Turmspitze mit Laterne des Nordturms erst 1511 (erneuert).— Blendmaßwerke der Giebel der Querarme 1848/49, südwestl. Langhausportal 1872/73 wiederhergestellt; Restaurierung des Inneren 1887-90 durch L. Winter. - 1944 Kriegsschäden. Bei Erneuerung des Inneren 1946-52 Gliederungselemente farbig gefaßt; 1957/58 Neubau der Turmspitzen in alter Form. — Unterfangung des Westbaus 1975/ 82.— Bei der Außenrestaurierung 1987ff. das verschiedenartige Bruchsteinmauerwerk rotbraun verputzt, die Quaderpartien der östl. Seitenschiff joche und das Chorpolygon neu verfugt.
Beschreibung. Äußeres. Jedes Joch des langgestreckten Baukörpers von einem Giebel mit z.T. virtuosem Blendmaßwerk überfangen, nach und nach bis M. 15.Jh. ausgeführt, der östl. Giebel der Nordseite dat. 1450. Schlanke Strebepfeiler. In den Seitenschiffen alternieren drei- und vier- bahnige Fenster mit rundstäbigem Maßwerk. Die Stirnwände des romanischen Querhauses durch einen Mauerabsatz zweizonig gegliedert, auf der Nordseite die ehem. Rundbogenfenster noch zu erkennen. Im Südwestjoch Stufenportal mit eingestellten Säulen 1230/40. Im ehem. nordöstl. Querarm einfaches spätromanisches Portal mit Sockelumlauf. Im Nordwestjoch gotisches Portal.
Westbau. Das kubische Sockelgeschoß ist in der Höhe auf die Trauf- linie des romanischen Mittelschiffs bezogen, die Fassade durch Lisenen in 3 Felder gegliedert. In der Mitte schönes Stufenportal, dessen Kapitell- und Tympanonornamentik (rankenartig entfalteter Lebensbaum, Löwe und Basilisk) zeigt Übereinstimmungen mit der der Dome in Magdeburg und Naumburg; darüber ein großes Rundfenster mit reich profilierter Laibung. Zweizonig unterteiltes Zwischengeschoß mit vielfältigen Gliederungen und zahlreichen Durchbrechungen des Mauerblocks, die Ecken zur Vorbereitung der oktogonalen Türme abgekantet (vgl. Halberstadt, Dom). Das Glockenhaus zwischen den fast völlig geschlossenen Turmuntergeschossen in der Gesamtdisposition unmittelbar abhängig vom Glockengeschoß des Braunschweiger „Doms“, die Maßwerkformen setzen die Langhausfenster des Mindener Doms voraus. Obgleich der Nordturm unvollendet blieb ist „die Wirkung des hohen, für Braunschweig charakteristischen Westbaues sehr ansehnlich“ (Dehio).
Innen. Die erhaltenen Teile der urspr. Basilika (Mittelschiff, Querhaus, Chorquadrum) zeigen mit den gurtlosen Kreuzgratgewölben im Mittelschiff und mit den von Kantensäulen besetzten Pfeilern die Abhängigkeit vom „Dom“; die in der Martinikirche vollzogenen Veränderungen des Systems übernommen: spitzbogige Vierungsbögen, Besetzung aller Pfeiler und Vorlagen mit Kantensäulen; das System der Gewölbevorlagen im Querhaus und in der Vierung durch stärkere Akzentuierung der Kantensäulen weiterentwickelt. Gegenüber den kargen Detailformen des Langhauses von St. Martini bereicherte Kapitellornamentik. Der Mittelraum des Westbaus in ganzer Höhe zum Mittelschiff geöffnet; Eckvorlagen mit Kantensäulen lassen daran denken, daß statt des ausgeführten Tonnengewölbes zunächst ein Kreuzgratgewölbe geplant war. - Beim Umbau zur Hallenkirche seit M. 13. Jh. die Werkstücke der alten Zwischenpfeiler z.T. als obere Zone der Pfeiler wiederverwendet. Die tief unterkehlten Kämpferprofile, in die die Blattkapitelle der Kantensäulen eingearbeitet sind, scheinen damals neu eingefügt worden zu sein. An den westl. Vierungspfeilern Konsolen für ein Triumphkreuz. - Kreuzrippengewölbe in den Seitenschiffen mit Birnstabprofilen, die Kapitelle und Konsolen der dreigliedrigen Dienstbündel mit naturalistischem Laubwerk. Vor der südl. Außenwand zweischichtig angeordnete Blendbögen (vgl. Riddagshausen, Mittelschiff). Figürliche Schlußsteine: thronender Christus in der Mandorla, Dorothea.— Zentrierender rippengewölbter Chorpolygonschluß mit hufeisenförmig einschwingenden westl. Seiten, die bis zur Verlängerung der Seitenschiffe frei standen (vgl. als annähernd gleichzeitige Parallelen in Norddeutschland die Franziskanerkirchen in Berlin und Stettin). - Unter der Empore im Ostjoch des Nordschiffs (Altarweihe 1402) die Sakristei, E. 19. Jh. weitgehend erneuert. Schlußsteine in den südl. Ostjochen: Christus umgeben von 4 Rippenzierscheiben mit den Evangelistensymbolen, Katharina. — Im Tonnengewölbe der westl. Turmhalle geometrische Ausmalung 1.H. 13.Jh.
Bauplastik außen. Südseite, 2. Fenster von O: am Mittelstab des Maßwerks Madonna, an den Laibungen Katharina und Maria Magdalena E. 14.Jh., alle unter hoch aufragenden Baldachinen.- An den Giebeln des südl. Ostjochs Marienkrönung zwischen 2 musizierenden Engeln und eine Kreuzigungsgruppe A. 15. Jh., im Anschluß an die Giebelplastik von St. Andreas. — Am Ostgiebel des Nordschiffs Katharina um 1450.
Ausstattung. Die neugotische Ausstattung von L. Winter in Teilen erhalten.- Die im Krieg z.T. beschädigten Epitaphe nach Restaurierung zumeist wieder aufgestellt: 1. Armgart v. Bortfeld, 1586 von W(eimar) H(einemann) (dat. und bez.), Stein, die Verstorbene in reicher Tracht. - 2. Ludolf Schräder (+1589) und Frau, von /. Röttger; zweigeschossiger Aufbau, Alabasterreliefs der Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt nach Stichvorlagen; lebensgroß die knienden Figuren der Verstorbenen; Tugenden, Evangelisten. Inschrifttafel 1725 von A. D. Jenner. Daneben der Grabstein des L. Schräder von Ebert Wolf d.J., Hildesheim. - 3. Valentin v. Marenholtz (+1593), Holz; dreiteilige Triumphbogenarchitektur mit Gemälden der Auferstehung und Himmelfahrt von F. von der Mürtel. - 4. Levin v. Marenholtz (+1596), im südöstl. Winkel, z.T. umknickend; Kopie des vorigen.-5. Jürgen v.d. Schulenburg (+1619) und Frau Lucia geb. v. Veltheim (+162o); mehrgeschossige, giebelartig gestaffelte Schauwand aus Schiefer und Kalkstein von /. Röttger, Alabasterreliefs und -figuren von L. Bartels, Magdeburg; urspr. in Verbindung mit einem Altar lettnerartig vor dem Chor aufgestellt, 1982/88 restauriert und die Farbfassung erneuert. Im Sockelgeschoß ehern, der von Moses und David flankierte Altar sowie Durchgänge. Neben dem Relief der Hirtenanbetung fast lebensgroß kniende Figuren der Verstorbenen. In den kleineren Obergeschossen Reliefs der Auferstehung und Himmelfahrt, als Bekrönung Gottvater. Tugenden und Putti. Die Anbetung der Hirten folgt detailgetreu einem Stich Jan Müllers (dat. 1606) nach einem Gemälde von Barth. Spranger in der Naumburger Wenzelskirche. Nahe verwandte Epitaphe im Magdeburger Dom. Die Grabplatten separat an der Südwand. - 6. Franz Becker (+1626) und Frau (+1630), wohl Werkstatt des H. Röttger, der Aufbau folgt den Marenholtz- Epitaphen. — 7. Peter Tuckermann (+1651), Schiefer und Alabaster.— 8. Heinrich Schräder (+1672) und Frau, zu Lebzeiten wohl 1659 von H. Scheller, um einen Mittelschiffpfeiler der Nordreihe verkröpft; dreistöckiger Aufbau aus Holz mit zahlreichen christologischen Reliefs und spätmanieristischer Ornamentik, in der Sockelzone gemalte Familie 1659 von A(nton) P(ickart), dat. und bez. - 9. Jakob Retz (+1719), Marmor, A.D. Jenner zugeschrieben.— Grabplatten: für eine Agnes 15. Jh., Ritzzeichnung, und für Anna Drosemann (+1641).— Pastorenbildnisse 17./18. Jh.
Außen über dem östl. Südportal Kalksteinepitaph mit Relief der Kreuzabnahme nach Dürers Kleiner Holzschnittpassion (1509/11), bez. H(ans) S(eeck) (+1583).— Unter dem liturgischen Gerät ragen 2 Kelche heraus, 1. H. 13. und 1. H. 14. Jh.