DRESDEN-DRESDEN-ALTSTADT / Palais im Großen Garten
Palais im Großen Garten (Großer Garten). Erster bedeutender Profanbau in Sachsen nach dem 30jährigen Krieg, erbaut für den späteren Kurfürsten Johann Georg III.; eigentlicher Auftakt zur sächsischen Barockarchitektur des frühen 18. Jh. Mit seiner alle Fassaden überziehenden Bauskulptur und der ehem. prachtvollen Ausstattung der Innenräume eine Schöpfung von europäischem Rang.
Im Erdgeschoss des Palais werden heute Skulpturen des 17.-19. Jh. aus sächsischen Schlössern und Gärten präsentiert.
Baugeschichte: 1678 unter Oberlandbaumeister Johann Georg Starcke begonnen, 1683 im Rohbau vollendet (die kleinen
Nebenportale 1679 und 1680 datiert). Innenausbau vermutlich bis gegen E.
des 17. Jh.
Seit den 1840er Jahren Nutzung des Gebäudes als Museum des
Sächsischen Altertumsvereins, zunächst im Erdgeschoß, seit 1891 auch im
Obergeschoß. Im Februar 1945
weitgehende Zerstörung: Vernichtung der Dächer; die Fassaden,
insbesondere im Bereich des Südflügels, schwer beschädigt. Durch den
Brand sowohl Verlust der Inneneinrichtung einschließlich der reich
stuckierten Balkendecken samt Gemälden als auch des größten Teils der
Museumsbestände; lediglich die Erdgeschoßgewölbe in der Mittelhalle und
in den beiden angrenzenden Seitensälen erhalten geblieben.
Nach Kriegsende zunächst die noch vorhandenen Gewölbe durch Notbedachung gesichert. 1953–70 Sicherung und teilweise
Wiederherstellung der Fassaden; 1968–74 Herstellung einer
Architekturachse des Festsaales als Rekonstruktionsprobe in Weißstuck,
Kunstmarmor und Sandstein. Seit 1983 Wiederherstellung der Erdgeschoßräume; die
Rekonstruktion der Stuckatur in der Mittelhalle und in den beiden
Seitensälen 1992 abgeschlossen. 1994 Abschluß der Neueindeckung des
Daches mit Rekonstruktion sämtlicher Schmuckelemente (Zierschornsteine,
Dachbalustrade, Fruchtpokale usw.).
Beschreibung: Im Schnittpunkt der zwei Hauptalleen des nach französischem Vorbild angelegten
>> Großen Gartens und somit in dessen Mittelpunkt angeordnet.
Insbesondere das von Kavaliershäusern umgebene Parterre westlich und der
Teich östlich des Palais von dessen architektonischer Wirkung bestimmt.
Der traditionelle Typus des Lusthauses hier mit den neuen, in Frankreich
entstandenen Formen des Schloßbaus kombiniert.
Einfacher, H-förmiger Grundriß mit Mitteltrakt und seitlichen Flügeln entsprechend einigen Villenbauten der italienischen Renaissance; der Aufriß gegliedert in ein hohes rustiziertes Sockelgeschoß, das Hauptgeschoß und ein Mezzanin. Die gewölbten Erdgeschoßräume im Sinne der italienischen Vorbilder unmittelbar vom Park aus zugänglich, Freitreppenanlagen an der Ost- und Westseite verdeutlichen den Charakter des Gartenschlosses. Diese zum Hauptgeschoß hinaufführenden Treppen doppelläufig und unter zweimaliger Wendung in die beiden Hauptfronten eingefügt. Straffe Zusammenfassung des Baues in seinen Vertikalen an der Ost- und Westseite durch die kräftig ausgebildeten, mit Segmentbogengiebel abgeschlossenen Mittelrisalite und die flankierenden, gleich Eckpavillons weit vorgezogenen Seitentrakte, an der Nord- und Südseite allein durch die flachen mittleren Risalite mit Dreieckgiebel. Entsprechend der Kontrastwirkung der Baukörper auch die dreigeschossige Aufrißgestaltung variiert: die
Mittelrisalite der bevorzugten Hauptfronten nach Westen und Osten durch die vorgestellten Doppelsäulenpaare gegenüber den flach gehaltenen seitlichen Kopfbauten besonders hervorgehoben, die Risalite der Seitenfronten mit ihrer flächigen Pilastergliederung stärker in die Gesamtgestalt eingebunden. Die flachen Walmdächer an den Stirnseiten der Flügelbauten durch massive, lukarnenartig aufgesetzte Stichbogenfenster mit seitlichen Voluten belebt, deren oberer Abschluß jeweils bekrönt von einer Kartusche, auf welcher der Kurhut ruht. Zur weiteren Dachgliederung tragen kleinere Gaupen mit Stichbogenfenster sowie der als durchbrochene Balustrade ausgebildete Firstkamm mit kräftigen Eckabschlüssen (Schornsteine) über dem Mittelbau und je zwei Pinienfruchtpokale auf den Seitenflügeln bei.
Sämtliche Fassaden des Palais in sächsischem Sandstein und mit reichem plastischen Schmuck, einen
üppigen vegetabilen Flächendekor mit dem aufwendigen Figurenprogramm
verbindend. Die
Skulpturen hauptsächlich von den Brüdern
Jeremias und Conrad Max Süßner sowie Abraham Conrad Buchau, Marcus Conrad Dietze und George Heermann: vor allem sind es die im
Sockelgeschoß der Nebenfronten und im ersten Obergeschoß der
Hauptrisalite in Nischen aufgestellten, überlebensgroßen Vollfiguren aus
Sandstein und die 16 Bildnisbüsten in den Rundnischen des Mezzanin aus
gleichem Material. Die Themen im wesentlichen der Antike verpflichtet:
an den Seitenfronten die vier Statuen des Parisurteils, Juno, Minerva,
Venus und Paris, die als Werke von George
Heermann gelten, dem auch die Masken über den Portalen
zugeschrieben werden. Die 12 Cäsarenbüsten und die Bildnisse der vier
Kaiserinnen im Halbgeschoß wohl von Jeremias
Süßner gefertigt. In den Giebelfeldern der West- und
Ostseite – das stadtseitige vermutlich auf Conrad Max Süßner zurückgehend – jeweils das Wappen der
Wettiner mit dem Kurhut, umgeben von Minerva, Apoll, Putten mit
Lorbeersträußen und weiteren allegorischen Figuren, wohl insgesamt als
Huldigung an die kursächsische Dynastie und ihre Herrschertugenden
konzipiert. Außerdem feiern die Darstellungen in den Giebeln der Nord-
und Südseite den Bauherrn und regierenden Fürsten, sinnbildlich
vertreten im ligierten Monogramm IG3C. Auf den Giebeln die Figuren der
vier Jahreszeiten, beiderseits von Sandsteinvasen flankiert.
Inneres: Das Vestibül im Erdgeschoß des Mitteltrakts eine durch Pfeiler in 2 × 5 Joche
unterteilte, kreuzgewölbte Halle, der Festsaal im Obergeschoß die
Mezzaninhöhe einschließend. Seitlich jeweils drei Räume, zu denen der
Saal an seinen Schmalseiten in je drei Arkaden geöffnet ist. Die
Ausstattung, u. a. mit den ersten Kunstmarmorarbeiten in Sachsen und den
z. T. bereits manufakturmäßig hergestellten Stukkaturen, weitgehend
zerstört.
Der Festsaal besaß eine besonders reiche und festliche Architektur. Auf hohen Postamenten
vorgestellte, korinthische Säulen gliederten die Wände und trugen das
schwere, verkröpfte Gebälk. In der Saalmitte Umkehrung des Motivs der
Portikus-Aedikula des Außenbaus mittels einer gestaffelten, doppelten
Säulenstellung und Figurennischen. Die hohe, von den Stichkappen der
Mezzaninfenster unterbrochene Voute bis an den die drei Plafondgemälde
rahmenden Akanthusfries herangeführt. Die gesamte Architektur des Saales
ehem. von kräftigem Stuck bedeckt, bestehend aus Ranken-, Laub-, Frucht-
und Tuchgehängen, Eckblättern, Kartuschen und wappenhaltenden Putten.
Der Formenreichtum übertraf in seiner aufeinander bezogenen Anordnung
die in sich konzentrierten Akanthusranken, Zweiggebinde und Rosetten im
Sockelgeschoß.
Das große, mittlere
Deckenbild von Samuel
Bottschildt stellte mit der Apotheose Johann Georgs III.
eine Verherrlichung Kursachsens und seines Herrschers dar. Die beiden
kleineren Deckengemälde, Merkur und Flora sowie Diana mit Gefolge
(ebenfalls Werke von Samuel
Bottschildt), setzten diese Sinngebung fort. Baugebundene
Malerei befand sich auch im Erdgeschoß (hier wohl von Heinrich Christoph Fehling). In den
Gewölbespiegeln der Mittelhalle und der beiden als Zugänge dienenden,
tonnengewölbten Räume urspr. die zwölf Gestalten des Tierkreises
angeordnet; von diesen Malereien nur die beiden in den Vorräumen
befindlichen erhalten, und zwar das Zeichen der Zwillinge im Osten und
das des Schützen im Westen. Drei ovale Deckenbilder mit figürlichen
Darstellungen schmückten den südlichen Seitensaal; die entsprechenden
Gemälde im nördlich gegenüberliegenden Raum bereits vor dem Krieg
überstrichen.