FREIE HANSESTADT BREMEN-INNENSTADT / Ev. Pfarrkirche St. Martini
Ev. Pfarrkirche St. Martini (Martinikirchhof). Jüngste der 4 altbremischen Pfarrkirchen, vor der Stadtmauer von 1200 gelegen und
errichtet auf einem aufgeworfenen Uferstreifen. Die Gründung geht wie die von St. Ansgarii zurück auf die 1229 verordnete Teilung des Pfarrbezirks von Unser Lieben Frauen
in 3 Sprengel.
Der Gründungsbau des 2. V. 13.Jh. war eine 2 Mittelschiffsjoche umfassende Basilika mit apsidial geschlossenem Chorquadrat und Nebenschiffapsiden. Der Baugrund ließ nur den
Bau eines im W an das nördl. Seitenschiff anschließenden, an 3 Seiten freistehenden Turmes zu. Das Baumaterial im wesentlichen Backstein. Schäden an der Gründung und
Überschwemmungen führten nach der M. I3-Jh. zur Neuwölbung. Nach einer ab 1371 durchgeführten Uferbefestigung ab 1376 Umbau zur Hallenkirche mit quergestellten
Satteldächern, Verlängerung der Seitenschiffe bis zum Einschluß des Chorquadrats und Bau des Polygonalchores. Abschluß der Arbeiten erst M. 15.Jh., an den Giebeln E. 15.
Jh. Im späten 15-Jh. nochmalige Vergrößerung der Kirche nach W bis zur westl. Turmflucht, diese Erweiterung im 19. Jh. wieder rückgängig gemacht, indem das Joch von Mittel-
und Südschiff als Wohn- und Gemeindehaus abgetrennt wurde. - Zur Kirche gehört auch das Neanderhaus südl. des Chores aus der M. 16. Jh., mit Portal von 1639.
Im Inneren die basilikale Grundform trotz hochgezogener Seitenschiffe vorherrschend durch das breitere, höhere und durch die in Längsrichtung gestellten Pfeiler abgeteilte
Mittelschiff. Aus der ersten Bauepoche stammen die rechteckigen Vorlagen für die Gurtbögen und die einfachen Dienste mit Knospenkapitellen sowie die Wulstrippen von
Sandstein für die sechsteiligen Gewölbe. Im Zuge des Hallenausbaues wurden bei den ersten Jochen von W die Pfeiler, die die Scheitelrippen aufnahmen, herausgebrochen und
die Hauptpfeiler verstärkt. Die Basen der Pfeiler und Dienste durch Höherlegung des Fußbodens verdeckt. — Der Chor mit yG-Schluß ist vom Mittelschiff durch ein oblonges
Chorjoch abgesetzt. Dieses besitzt vierteilige Gewölbe mit Backsteinrippen in Birnstabprofil. Der Chor hat ein achtteiliges Gewölbe, dessen Rippen zu einem Schlußstein mit
einer Darstellung von Christus als Weltenrichter führen. Die Rippen wachsen aus Diensten, die auf Konsolen aufsitzen und mit Blattkapitellen enden. - Das südl. Seitenschiff
schließt zeitlich an den Chorbau an und hat entsprechende Backsteinrippengewölbe, deren zugehörige Dienste auf Sandsteinkonsolen aufsitzen. - Die Ansätze von Netzgewölben
in 2 der 3 Joche des Nordschiffs nicht vor 2. H. 15. Jh. Dienste und Rippen wieder in Backstein, an Basen und Kapitellen ältere Werkstücke verwendet.
Nur Reste der Ausstattung erhalten. Von mittelalterlicher Ausmalung eine Kreuzigungsszene in einer Nische der Nordwand. - Kanzel von Hermen Wulff von
1597 mit der Darstellung von 5 Tugenden in ädikulaartig gegliederten Füllungen; diese durch reichverzierte Säulen getrennt, der Schalldeckel mit Resten der alten
Bekrönung.- Die Westseite des Mittelschiffs beherrscht von der Orgel, 1615-18 von Chr. Bockeimann, Lüneburg, unter Verwendung des älteren
Orgelprospektes von H. Wulff. Der Aufbau zeigt noch die Gliederung in getrennte Werke, die sich um Türme gruppieren. Die Orgeltreppe ehem. Teil der
Kanzel. - Nur 2 Epitaphe erhalten: Ratsherr Johann Have- mann (+1578), errichtet 1565, mit einer Auferstehungsdarstellung, K. Husmann zugeschrieben
(vgl. Schütting), und Hinrich Zobel (+1615), errichtet 1598, mit dem der Durchgang zum Neanderhaus in der Ostwand des Südschiffs zu einem Denkmal verschmolzen wird, indem
das Epitaph, dessen dreiteiliges Hauptfeld die Darstellung des Jüngsten Tages zeigt, die Bekrönung des Portals bildet (vgl. Epitaph des Joachim Hincke im Dom).- Eleganter
Rokoko-Almosenkasten von 1766. — 2 schöne vielarmige Messingkronen von 1650, wohl niederländisch; auf einer ein Aufsteckschild mit einer Darstellung des hl. Martin und 4
Krüppeln. - Martinsrelief von 1626 mit dem Heiligen in zeitgenössischer Landknechtstracht. - Die Verglasung von E. Steineke, 1958—60, zeitgleich mit
der Chorumkleidung.