GÖLLINGEN / Ehem. Benediktinerpropstei
Ehem. Benediktinerpropstei der Abtei Hersfeld (Hessen). Vor 1012 gegründet, erst 1606 aufgehoben; 1648–1816 Domäne der Landgrafen von Hessen. Die Klosteranlage infolge landwirtschaftlicher Nutzung bis auf wenige Bauteile verschwunden. Von der ehem. wohl dreischiffigen, aus hellen Kalksteinquadern errichteten Propsteikirche St. Wiperti nur der turmartige Westbau sowie die unteren Teile der im Osten gelegenen Hauptapsis und der Chorsüdwand erhalten. Die Reste im Osten von einem Neubau aus dem 2. Dr. 12. Jh. – Der urspr. ein westl. Querschiff abschließende, viergeschossige
Westturm mit Krypta im unteren Teil quadratisch, im dritten Geschoß mittels Trompen, die außen von zweiseitigen Zeltdächern überdeckt sind, ins Achteck überführt. Der untere Teil, dessen Sockel mit Krypta durch ein Band roter Sandsteinquader abgesetzt ist (ähnlich Konradsburg in Sachsen-Anhalt), entstand um 1170, die beiden Obergeschosse wohl nach Planänderung im 2. V. 13. Jh. Das Äußere mit Lisenen und Rundbogenfriesen gegliedert, jede der freien Wände durch zwei schlanke Halbsäulen geteilt und durch ein Rundbogenfenster geöffnet. Im Glockengeschoß acht große Biforien unter rundbogigen Blenden; die eingestellten schlanken Säulen mit Eckblatt-basen und glatten Kelchkapitellen. In den Winkeln von ehem. Westquerschiff und Westturm urspr. zwei Wendeltreppen, die (beide?) über den quadratischen Unterbau hinausführten und die Turmobergeschosse oder das Langhausdach erschlossen. Die nördl. Treppe größtenteils zerstört. Das Turmdach 1966 erneuert. – Der Westchor schob sich nach Osten in das Querschiff vor mit einem Podium, das durch einen Rundbogenfries auf Ecklisenen abgeschlossen ist. Das Podium ruht auf zwei tonnengewölbten Kammern, die, in großen, heute zugemauerten Rundbögen geöffnet, als Zugänge zur Krypta dienten. Am Tympanon der nördl. Pforte ein Krückenkreuzrelief. – Die
Krypta – urspr. nur zwei Stufen unter dem Querhausniveau gelegen – ist ein klar gegliederter, kreuzgratgewölbter Vierstützenraum, der von Süden durch zwei Rundbogenfenster zu seiten eines Rautenfensters Licht erhält. Den Freisäulen entsprechen an den Wänden Halb-, in den Ecken Vollsäulen. Bemerkenswert die akzentuierte Farbgestaltung des Inneren durch verschiedenfarbige Gesteine und (nachgewiesene) Fassungen. Die Schäfte der Wandsäulen bestehen aus rotem Sandstein; die Freisäulen aus hellem Kalkstein und die Hufeisenbögen aus rotem Sandstein. Die Basen der Freisäulen wiederum waren rot gefaßt. Attische Säulenbasen mit Eckzier; die Würfelkapitelle z. T. glatt mit Doppelschilden, z. T. mit Palmettendekor. Einige der schweren Kämpfer mit Röllchen geschacht. In den weitgehend erhaltenen romanischen Estrich Achate (!) unterschiedlicher Größe eingelassen. Die geradezu elegante Erscheinung und die aufwendige Ausgestaltung der Krypta legen die Vermutung nahe, daß der Raum urspr. als Aufbewahrungsort kostbarer Reliquien bestimmt war. – Der urspr. flachgedeckte
Westchor nach Osten in großem Rundbogen geöffnet; der Raum davor über dem Podium um 1225 offenbar mit einem dreijochigen Kreuzgratgewölbe überdeckt (heute verloren). In der Laibung des Chorbogens Halbsäulen mit auffälligen Spiralornamenten an ihren Würfelkapitellen. In der Turmostwand eine Sakramentsnische. – Der turmartige Westchor der Klosterkirche ist künstlerisch von hoher Schönheit und in seiner für die Zeit und die Gegend einzigartigen Gestalt von hohem architekturgeschichtlichen Interesse. Es liegt nahe, daß die Disposition mit zwei Chören und möglicherweise zwei Querschiffen von einem frühmittelalterlichen Vorgängerbau angeregt wurde. Stilistisch gehört der ältere Teil des Chores in eine Bautengruppe, die, gefördert durch Bautätigkeit der ludowingischen Landgrafen, niederrheinisches Formengut übernahm. – Von der
Klausur nördl. der Kirche nur unbedeutende Reste des Westflügels erhalten. In Privatbesitz fünf Kapitellfragmente aus Sandstein, die beiden Bauphasen des Turmes entstammen. Außerdem eine große Sandsteinschale mit Radialrippen.
Ev. Kirche. Saalbau von 1722 mit quadratischem Westturm von 1736, letztmals 1992/93 restauriert. Der Turm mit geschweifter Haube und Laterne abgeschlossen. Innen eine dreiseitige, zweigeschossige Empore und eine Holztonne; im Norden verglaste Patronatsloge. Hölzerne Taufe in achteckiger Kelchform, bez. 1822; die Orgel 1766–68 von Hartung aus Schloßvippach errichtet, später verändert. Tumbenförmiger, reich reliefierter Grabstein für den Pfarrer J. N. Müller (†1725). – Auf dem
Kirchhof zwei Grabsteine mit eingeritzten Kreuzen, 11./12. Jh., aus der Kirche sowie vier Grabplatten vom Zeitzschen Familienbegräbnis, 18. Jh.