HANN.MÜNDEN / Weifenschloß
Weifenschloß, jetzt u. a. Stadtarchiv und -bücherei sowie Amtsgericht. Auf einer mäßigen Erhebung am Südufer der Werra gelegen, wohl
an der Stelle einer hochmittelalterlichen Burg; seit 1247 welfischer Herrschaftssitz. Unter Herzog Erich I. ab 1501 als Schloß neu erbaut mit Fachwerkoberteil und Holzgalerien,
dat. am spätgotischen Treppenturm. Vom Brand 1561 blieben beträchtliche Teile im NO verschont: der Treppenturm und zum Fluß hin das polygonal gebrochene zweigeschossige
Chörlein, die Kapelle im Kern (urspr.gewölbt?) und überhaupt der Werraflügel bis ins 2. Obergeschoß (westl. Teil um 152od); in 2 Abschnitten Wiederaufbau der mächtigen massiven
Flügelbauten in Renaissanceformen unter Herzog Erich II.- 1735—41 Umbau zur Kaserne auf Befehl König Georgs II. v. England; nach Verwüstungen im Siebenjährigen Krieg
Einrichtung von Magazinen. Ostflügel E. 18. Jh. in Teilen neu aufgeführt; ein ehem. Südflügel aus Fachwerk unbekannter Entstehungszeit 1849 abgebrannt. Seit 1861 Sitz mehrerer
Behörden. — Vornehmlich in den achtziger Jahren des 20. Jh. umfangreiche Restaurierung, Rekonstruktionen am Außenbau (Westgiebel); neue Außenpolychromie, Befunde vom Innenhof
auf den gesamten Bau übertragen.
Konzipiert wohl als nach S offene Dreiflügelanlage. Der Ostflügel weitgehend erneuert, die Lukarnen mit bescheidenem Dekor (restauriert). Der langgestreckte, viergeschossige
Werraflügel mit hohen Kreuzpfostenfenstern zeigt an der westl. Schmalseite einen 1565 fertiggestellten Schweifgiebel mit Tugendfiguren, Obelisken- und Kugeldekor; damit ein
frühes Beispiel der Ablösung des spätgotischen Staffelgiebels oder des mit Halbkreisen geschlossenen Giebels („Welscher Gewel“). Am westl. Ende ist ein Treppenhaus mit je 2
geraden Läufen und Podest zwischen den Geschossen angefügt, wohl in bewußter Opposition zum altertümlichen „Wendelstein“ im nordöstl. Winkel; hofseitige Außengliederung nach
der klassischen Ordnung, die Portale am Westflügel in toskanischer Ordnung. Mächtige Schornsteinköpfe aus Backstein mit unterschiedlichen Bossensteinbändern. - Früher Bau der
„Weserrenaissance“, zu vergleichen sind die etwa zeitgleichen Schlösser in Uslar (Ruine) und Bückeburg.
Innerhalb der Museumsräume 2 Gemächer jeweils mit polygonal gebrochenem spätgotischen Erker, die am Außenbau als zweigeschossiges Chörlein zusammengezogen sind. Bedeutende
Wandgemäldezyklen der Zeit Herzog Erichs II., Öltempera, um 1575/80 wohl von niederländischen Künstlern; 1960-86 restauriert: Im „Gemach zum Weißen Roß“ in antikisch
empfundenen Scheinarchitekturen durchmischt mit zeitgenössischem Formenrepertoire die Darstellung von 7 Helden des Alten Testaments, dazwischen auf 3 Wandfeldern altte-
stamentliche Heldinnen als Halbfiguren in reichen Rollwerkrahmen; über dem Sandsteinkamin (dat. 1562; Kopie?) das Sachsenroß; im tiefen Türgewände Narr und gegenüber ein Wilder
Mann mit Keule; eine ältere Raumfassung liegt an einigen Stellen frei. - Der Raum darüber, das „Römergemach“, mit ähnlicher Thematik: Dargestellt sind 9 Helden des klassischen
Altertums (z.T. frei ergänzt); die einzelnen Wandfelder durch gemalte Karyatiden abgetrennt, die Roll- und Beschlagwerk-Kartuschen noch reicher. Original sind Sandsteinkamin
(dat. 1574), Decke und Fußboden. - Vergleichbare profane Wandmalereien sind in Norddeutschland kaum erhalten, vgl. die etwas jüngeren Dekorationen des Fürstensaals von Schloß
Neuhaus in Leitzkau/ Sachsen-Anhalt. - Weitere Malereireste teils aus der gleichen Zeit, teils 1.H. 16.Jh., z.B. im „Schiffgemach“: Reste der Lepanto-Schlacht von 1571, urspr.
wohl an allen Wänden, um 1580 (1983 restauriert).