MAGDEBURG / Kath. Kathedrale St. Sebastian
Kath. Kathedrale St. Sebastian (
Max-Josef-Metzger-Straße
). Aus einer kreuzförmigen romanischen Basilika mit doppeltürmigem
Westbau entwickelte, in ihrer heutigen Gestalt wesentlich durch spätgotische
Umbauten bestimmte dreischiffige Hallenkirche in Haustein mit Querhaus,
polygonal geschlossenem Langchor und rechteckiger nördl. Seitenkapelle.
Ehem. Stiftskirche, urspr. St. Sebastian und Johannes dem Evangelisten geweiht; das
Kollegiatstift etwa gleichzeitig mit dem Liebfrauen-Stift nach 1015/16 durch Erzbischof
Gero gegr. 1573 erster ev. Stiftsgottesdienst. Nach
Zerstörung 1631 die Kirche 1692–1756
wieder in gottesdienstlichem Gebrauch. 1810
Aufhebung des Stifts, Profanierung. Der Chor 1845–54 Sakralraum der
Deutschkatholiken. Ab 1873 kath. Pfarrkirche, seit 1949 kath.
Bischofskirche.
M. 12. Jh. Errichtung einer kreuzförmigen, innen flachgedeckten Basilika mit
einfachem Querhaus, Chorjoch mit Hauptapsis und vermutlich zwei
Seitenapsiden; ein Weihedatum für 1169
überliefert. Die Türme 12. Jh. in zwei,
möglicherweise mit einer Bauunterbrechung durch die Stadtbrände 1188 und
1207 in Zusammenhang stehenden Bauphasen errichtet und urspr. mit
Zeltdächern vollendet. Von diesem Bau Reste des Querhauses und der
zweitürmige Westbau erhalten. Der gotische Chor und der nördl. Nebenchor
(Marienkapelle) wohl sukzessive im 14. und 15. Jh. errichtet, zunächst das
östl. Chorjoch samt Polygon, um 1315–30,
1340–50 die Marienkapelle und nach
Erhöhung des Querhauses 1420–40 die
beiden westl. Chorjoche an die Vierung angeschlossen. M./2. H. 15. Jh. das Langhaus durch eine Halle von vier Jochen
ersetzt, 1489 geweiht. Nach Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg in ihren
Umfassungsmauern, Pfeilern und Arkadenbögen erhalten und 1663 mit einem hölzernen Gewölbe versehen.
3. Dr. 17. Jh. Aufbringen der
Zwiebelhelme auf den Türmen. Das Holzgewölbe bei der Restaurierung 1876–78 einheitlich in Stein erneuert.
Nach Bombentreffer 1945 Wiederaufbau 1953–59, Umgestaltung gemäß der
Liturgiereform 1972, Instandsetzung 1982–91.
Außen. Der Westbau bis etwa Traufhöhe des Langhauses in hellem Quarzit, darüber in Grauwacke,
bestehend aus zwei quadratischen Türmen und niedrigerem, kaum
zurückspringendem Mittelbau, dieser mit stark rest. Säulengalerie und
Quersatteldach. Die Türme mit trutzigen, von wenigen auf die Treppen im
Innern bezogenen Schlitzfenstern durchbrochenen Wandflächen, lediglich im
den Mittelbau überragenden Glockengeschoß durch die von einem Blendbogen
überfangenen Triforien der Schallarkaden stärker aufgelöst. Achteckige
barocke Zwiebelhelme. Der Mittelbau urspr. ohne westl. Eingang, das jetzige
Portalgewände E. 19. Jh. Darüber in Emporenhöhe zwei Rundbogenfenster mit
Keilsteinquadern und Läuferschicht. Der Chor aus drei querrechteckigen
Jochen und 5 / 8 -Schluß. Die Maßwerkfenster neugotisch. An Langhaus,
Querhaus und Chor schlichte, nur am Polygon ausgesparte Strebepfeiler,
ähnlich St. Petri in Braunschweig (Niedersachsen). Die Fenster der
Langhausnordseite wegen des hier ehem. vorgebauten Kreuzgangs höher
angesetzt als im Süden. Die östl. und südl. Wand des südl. Querarms mit
vermauerten rundbogigen Fensterpaaren des romanischen Baus.
Innen. In den Türmen steinerne, auf Tonnengewölben ruhende Treppen. Der Erdgeschoßraum des
Mittelbaus nachträglich kreuzrippengewölbt, darüber die Empore mit großem
abgetrepptem Rundbogen zum Schiff geöffnet. Die Raumwirkung des
anschließenden Hallenlanghauses beruht auf der Beibehaltung der romanischen
Grundrißproportionen. Insbesondere die Vierung mit romanischen Resten: die
kreuzförmigen Pfeiler mit Palmettenkämpfern (vgl. die Kapitellornamentik im
Kreuzgang des >> Stifts Unser Lieben Frauen) der östl. und der westl.
Bogen, ferner die Kämpfer mit Schachbrettmuster zwischen Querarmen und
Seitenschiffen sowie der abgetreppte Einfassungsbogen der urspr. südl.
Nebenapsis. Das gesamte Innere mit Kreuzrippengewölben über urspr. Konsolen,
diese im Chor z. T. figürlich. Die drei Stützenpaare im Langhaus mit
unterschiedlicher, origineller Gliederung, die sich in den Scheidbögen
fortsetzt: (von Ost nach West) achteckig, gekehlt und mit Rundstäben an den
Ecken; säulenartig mit vier Rundstäben, die sich an der nördl. Stütze um den
Schaft winden; quadratisch, tief gekehlt und mit mehreren tauartig gedrehten
Stäben an den Ecken (ähnlich dem 1469 beg. nördl. Seitenschiff des
Braunschweiger Doms).
Ausstattung. Zwei spätgotische
Schnitzretabel: Das als Hauptaltar im Chor
aufgestellte von 1510/20, 1978 aus Polleben (Lkr. Mansfelder Land) hierher transferiert:
im Schrein vier Heiligenfiguren: Barbara, Stephanus, Maria, Valentin; im
linken Flügel hl. Margareta und Jakobus Major; im rechten Flügel hl.
Katharina und hl. Diakon; auf den Flügelaußenseiten Gemälde der hll.
Hieronymus und Antonius. In der Predella Relief der Anbetung der Hirten, von
gemalten Halbfiguren der hll. Katharina und Barbara flankiert. – Das
Schnitzretabel in der Marienkapelle E. 15.
Jh., ehem. im Chor aufgestellt, aus der Kirche in >>
Thielbeer: im Schrein etwas beengte Muttergottes im Strahlenkranz zwischen
Szenen aus dem Marienleben: links Verlobung Mariae über Geburt Christi,
rechts Mariae Verkündigung über Anbetung der Heiligen Drei Könige, in den
Flügeln je sechs Heilige in zwei Reihen übereinander: links oben Katharina,
Bartholomäus, hl. Abt, unten Paulus, hl. Bischof, Maria Magdalena (?);
rechts oben Judas Thaddäus, Agnes, Petrus, unten hl. Bischof, Johannes der
Evangelist, Elisabeth von Thüringen. Lebensgroßer
spätgotischer
Kruzifixus. –
Kanzel mit
Kupfertreibarbeiten von Gerhard
Schreiter, Berlin, 1956. Reliefierte
Sandsteintaufe von Friedrich
Schoetschel, Biesenthal, 1960.
Farbverglasung im Chor mit Darstellungen aus AT, NT und
von Heiligen nach Entwürfen von Alois
Plumm, Mainz, 1990–92. Spätgotischer steinerner
Opferstock in Form von drei Achteln eines Achteckpfeilers
mit Stifterwappen, 16. Jh. – Im Westportal
Bronzetür von Jürgen
Suberg, Olsberg, 1987: außen von einem
Regenbogen überfangen Szenen aus dem AT: Paradies, Sündenfall, Vertreibung
aus dem Paradies, Brudermord, Arche Noah; innen aus dem NT im
Quincunx-Schema um die Kreuzigungsgruppe angeordnet Geburt Jesu,
Weltenrichter, Hochzeit zu Kana, Frauen am leeren Grab. – Vom selben
Künstler Relief mit Darstellung des himmlischen Jerusalems über der
bischöflichen Gruft. – Außen an der südöstl. Querhauswand großes barockes
Epitaph des Stephanus Wlömius
(†1711).