AACHEN
Erste Siedlungsspuren im Aachener Kessel stammen aus der
Steinzeit. Zwischen 3600–3200 v. Chr. der Betrieb eines
Feuersteinbergwerks nachgewiesen, in dem Beilklingen gefertigt und über
200 km weit gehandelt wurden. Wegen der warmen Quellen kontinuierliche
Besiedelung seit keltisch-römischer Zeit. Ob von der lateinischen
Ortsbezeichnung Aquisgranum (urkundlich erst 808 n. Chr. nachgewiesen)
auf die Verehrung eines keltischen Heilgottes Grannus geschlossen werden
kann, ist unsicher. Rechteckige römische Siedlung mit der Hauptachse der
heutigen Jakob-/Großkölnstraße über den Markt als Decumanus (Verbindung
von Lüttich über Aachen nach Jülich) und Kockerellstraße/Klostergasse
als Cardo (Verkehrsweg Heerlen-Kornelimünster). Zwei Thermenbezirke im
Bereich von Büchel und Münsterplatz sind archäologisch nachweisbar,
zwischen 89–120 n. Chr. von der VI. und XXX. Legion angelegt. Bei der
Quirinusquelle (Am Hof) Kopie einer Bogenstellung (originale Reste im
Rheinischen Landesmuseum Bonn), die urspr. zwei Quellheiligtümer
einschloss. Die römische Siedlung wohl um 375 zerstört. In der
Münstertherme gefundene frühchristliche Grabsteine beweisen die Existenz
einer kleinen Christengemeinde. Besiedelung nach der fränkischen
Landnahme.
Erste namentliche Erwähnung 765/766 anlässlich des
Aufenthalts von König Pippin zu Weihnachten und Ostern auf seinem Hofgut
in Aquis villa. Eine Pfalz (palatium publicum) erstmals 769 genannt.
Seit 788/89 sind wiederholt Aufenthalte Karl des Großen nachgewiesen,
der anstelle des Guts spätestens seit dieser Zeit bis um 810 seine
Pfalzanlage errichten ließ. Als Hauptbauten der seit 794 ständigen
Residenz (prima sedes Franciae) werden die Pfalzkirche (>> Dom),
die Palastaula ( >> Rathaus) und ein Bad genannt, das, wie Funde
belegen, bei der römischen Bücheltherme lag. Die karolingische Anlage
war schräg zur römischen Siedlungsstruktur streng nach Osten
ausgerichtet, was zu den typischen Aachener Dreiecksplätzen wie dem
Markt führte. Dem Pfalzbezirk mit dem Markt, an dessen Nordseite man
Händlerhäuser vermutet, waren im Süden zwei Siedlungsbezirke
vorgelagert. Im Bereich des >> Elisengartens lag ein Besitz der
Abtei Stablo mit Herrenhaus, Eigenkirche und wohl dreißig Häusern (1137
beurkundet). Daran anschließend erstreckte sich bis zur heutigen
Jakobstraße eine fränkische Dorfsiedlung, deren germanischer Ortsname
Ahha 972 überliefert wird. Nach dem Machtverlust des karolingischen
Herrscherhauses und der Zerstörung der Pfalzanlage durch die Normannen
881 stieg die Bedeutung der Pfalz erst wieder mit Otto I., der Aachen
936 zur Krönungsstätte der deutschen Könige machte. Bis zu Ferdinand I.
(1531) wurden in der Pfalzkapelle 35 Könige gekrönt. Otto III. ließ 1000
das Grab Karls des Großen in der Pfalzkirche öffnen; 1002 wurde er nach
seinem Wunsch in unmittelbarer Nähe beerdigt. Er gründete außerhalb der
Stadt Klöster in >> Burtscheid und auf dem Salvatorberg (>>
St. Salvator) sowie das Stift >> St. Adalbert. Heinrich II. setzte
dieses Werk fort, u. a. 1018 mit der Zuweisung eines Zehntbezirkes für
die Abtei in >> Burtscheid.
Mit der – vom Vatikan nicht anerkannten – Heiligsprechung
Karls des Großen Weihnachten 1165 durch den Gegenpapst Viktor IV. auf
Betreiben Kaiser Friedrichs I. Barbarossa stieg die Bedeutung des Ortes
weiter an. Dabei Erhebung der Gebeine Karls (>> Dom,
Karlsschrein). Die 1166 verliehenen Stadtrechte verpflichteten die
Bürger 1171–75 zum Bau einer Stadtmauer (>> Barbarossamauer). Im
12. Jh. entstanden weitere Kirchenbauten, so >> St. Foillan als
Nebenpfarre des Münsters (>> Dom), >> St. Jakob und >>
St. Peter, die in die M. 13. Jh. bis 1357 errichtete zweite >>
Stadtbefestigung einbezogen wurden. Im 13. Jh. Gründung mehrerer Klöster
im Innenstadtbereich, so der Franziskaner (>> St. Nikolaus), der
Augustiner-Eremiten (>> St. Katharina) und der Dominikaner
(>> St. Paul). 1267 Bau des ersten Rathauses, des sog. >>
Grashauses am Fischmarkt. Aufteilung des ehem. Pfalzbezirks E. 13. Jh.
Der südl. Teil wird zur Stiftsimmunität des Münsters, den nördl. Teil
übernimmt die Stadt und erbaut wohl kurz nach 1300 unter Einbeziehung
von Resten der Palastaula das gotische >> Rathaus mit der nun zum
Markt ausgerichteten Hauptfassade. Erhebung zur Reichsstadt 1336. Der
ständig ansteigende Pilgerstrom zu den vier großen Heiligtümern des
Aachener Reliquienschatzes (>> Dom, Marienschrein) wurde 1349, im
Jahr der Krönung Karls IV., in einen regelmäßigen Turnus gebracht.
Seither werden die textilen Reliquien alle sieben Jahre öffentlich
gezeigt (sog. Heiligtumsfahrt). 1355–1414 Anbau der gotischen Chorhalle
an das karolingische Oktogon zur Verehrung der Heiligtümer (>>
Dom). 1419–53 Bau des Landgrabens zum Schutz der in Aachener Besitz
befindlichen umliegenden Dörfer, des sog. Aachener Reiches.
Wirtschaftlicher Aufstieg durch das hoch entwickelte Tuchmacher- sowie
das Metall verarbeitende Gewerbe, begünstigt durch das weiche Aachener
Wasser bzw. die nahen Galmeivorkommen (Zinkerz), u.a. in Stolberg. Der
von den Zünften erstrittene Gaffelbrief regelte seit 1450 die
Beteiligung der Bürger an der Stadtverwaltung und blieb bis zum Ende der
reichsstädtischen Zeit die Grundlage der Stadtverfassung. 1575 Zulassung
protestantischer Bürger zum Rat, in dem sie kurzfristig eine
Vormachtstellung gewannen. Durch die Verhängung der Reichsnacht 1598 und
1614 Wiederherstellung der alten Ordnung und Vertreibung
protestantischer Gewerbetreibender, was zum wirtschaftlichen Abstieg
Aachens führte. Der Dreißigjährige Krieg hatte nur geringe Auswirkungen
auf die Stadt.
Ein großer Brand vernichtete 1656 nahezu den gesamten
mittelalterlichen Häuserbestand. Der Wiederaufbau verlief stockend,
behindert durch innerstädtische Unruhen und durch
Truppeneinquartierungen zwischen 1674 und 1714. Ab dem späten 17. Jh.
förderte die Stadt den Badebetrieb, baute das mittelalterliche
Badezentrum um Hof und Büchel aus und legte eine neue Promenade an der
Komphausbadstraße an. Aufstieg zur Badestadt von europäischem Rang. Das
Stadtbild nun geprägt von Barockbauten besonders der Baumeister
L. Mefferdatis (seit 1699
Ratssteinmetz, >> St. Theresia), J. J.
Couven (Stadtbaumeister seit 1739, Fassade des >>
Rathauses, >> Marktbrunnen, Wespienhaus in der >>
Kockerellstraße) und seinem Sohn J. Couven (seit 1760 Ratssekretär, >> Altes
Kurhaus). 1748 Tagungsort des Friedenskongresses nach dem
Österreichischen Erbfolgekrieg.
Besetzung durch die französischen Revolutionsheere 1792;
seit 1798 französisch und Hauptstadt des Roer-Departements. 1802
Gründung des ersten Bistums Aachen (1821 aufgehoben). Säkularisierung
der Klöster. Große Teile der äußeren Stadtbefestigung geschleift und zu
Alleen umgestaltet, die Stadt durch Promenaden und Parks (>>
Lousberg) begrünt. Aachen kam durch den Wiener Kongress 1814/15 an
Preußen und wurde Hauptstadt eines Regierungsbezirks. Starker
wirtschaftlicher Aufschwung durch die Industrialisierung, vor allem bei
der Tuchherstellung und der Metallverarbeitung. Frühe Verwendung von
Dampfmaschinen, ab 1813 in >> Burtscheid und seit 1817 am
Karlsgraben in der >> Tuchfabrik Kelleter. Wiederbelebung des Kur-
und Badewesens, gefördert durch den Monarchenkongress 1818 mit Friedrich
Wilhelm III. von Preußen, Kaiser Franz I. und Zar Alexander I. Das
Bauwesen bestimmt durch A. F. F. Leydel (Stadtbaumeister seit 1817, >>
Quiriniusbad, >> Hauptmannsbrunnen) und J. P. Cremer (Landbauinspektor seit 1817, >>
Bezirksregierung, >> Stadttheater u. a.). Cremer ging mit seinen Planungen der
Theater- und Wilhelmstraße erstmals über den äußeren Mauerring hinaus.
1841 die Strecke der Rheinischen Eisenbahn zwischen Köln undAachen in
Betrieb genommen. Unter Stadtbaumeister F.
Ark (seit 1839) Regotisierung des >> Rathauses.
1865 Gründung der polytechnischen Hochschule (>> Hochschulbauten),
der ersten in den Rheinlanden, und damit Erschließung des Gebietes
zwischen den beiden mittelalterlichen Stadtbefestigungen im Nordwesten.
Stadterweiterung im Osten durch die privat finanzierten Rehm- und
Steffensviertel sowie seit den 1870er Jahren das >> Frankenberger
Viertel auf Burtscheider Gebiet und weitere Neubaugebiete. Großer
Flächen- und Bevölkerungszuwachs durch die Eingemeindung Burtscheids
1897. Nach dem Ersten Weltkrieg bis 1929 belgisch besetzt. Weiträumiger
Siedlungsbau. 1930 Neuerrichtung des Bistums Aachen.
Im Zweiten Weltkrieg zwei Drittel der Innenstadt zerstört.
Von den Innenstadtkirchen nur das Münster weitgehend unversehrt.
Sämtliche Repräsentationsbauten stark beschädigt. Die Bürgerhäuser des
17. und 18. Jh. bis auf Reste zerstört. Die wachsende Bedeutung Aachens
als Zentrum von Wirtschaft, Verwaltung und Kultur bestimmte den
Wiederaufbau. 1972 weitere großflächige Eingemeindungen (>> Brand,
>> Eilendorf, Haaren, >> Kornelimünster, >>
Laurensberg, >> Richterich und >> Walheim).